Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
Vom Netzwerk:
für Englands dringenden Bedarf an mehr Zauberern. Mr. Norrell, so gewissenhaft, wie Sie sind, können Sie nicht überall sein und sich um alles kümmern – und das erwartet auch niemand von Ihnen. Wie ich höre, hat Mr. Strange Schüler aufgenommen. Es würde mich über die Maßen freuen, wenn ich erführe, dass Sie das auch beabsichtigen.«
    Trotz Lord Liverpools Zuspruch schritt die Ausbildung der drei neuen Zauberer, Henry Purfois, William Hadley-Bright und Tom Levy, nicht glatter voran als Stranges Ausbildung sechs Jahre zuvor. Der einzige Unterschied bestand darin, dass Strange sich mit Norrells Ausweichmanövern hatte herumschlagen müssen, während die jungen Männer ständig von Stranges Niedergeschlagenheit und Ruhelosigkeit behindert wurden.
    Anfang Juni war der erste Band von Geschichte und Ausübung der englischen Zauberei fertig. Strange lieferte ihn bei Mr. Murray ab, und niemand war überrascht, als er am nächsten Tag Henry Purfois, William Hadley-Bright und Tom Levy verkündete, dass ihre zauberische Ausbildung eine Weile unterbrochen würde, da er beschlossen habe, ins Ausland zu reisen.
    »Das ist ein ausgezeichnetes Vorhaben!«, sagte Sir Walter, kaum hatte Strange ihm davon erzählt. »Ein Ortswechsel. Ein Wechsel der Gesellschaft. Das ist genau, was ich Ihnen verschreiben würde. Fahren Sie! Fahren Sie!«
    »Sie glauben nicht, dass es zu früh ist?«, fragte Strange besorgt. »Ich werde London Norrell überlassen, sozusagen.«
    »Glauben Sie, dass unser Gedächtnis so kurz ist? Nun, wir werden uns alle Mühe geben, Sie nicht innerhalb von ein paar Monaten zu vergessen. Außerdem wird demnächst Ihr Buch erscheinen, und es wird uns beständig daran erinnern, wie schlecht wir ohne Sie auskommen.«
    »Das stimmt. Da ist das Buch. Norrell wird Monate brauchen, um sechsundvierzig Kapitel zu widerlegen, und ich werde zurück sein, lange bevor er damit fertig ist.«
    »Wohin wollen Sie reisen?«
    »Nach Italien, glaube ich. Die Länder des südlichen Europas haben eine große Anziehungskraft auf mich. Als ich in Spanien war, hat mich die Landschaft oft fasziniert – oder sie hätte mich fasziniert, wenn sie nicht unter Soldaten und Kanonenrauch verschwunden wäre.«
    »Ich hoffe, Sie werden gelegentlich schreiben. Ein paar Worte über Ihre Eindrücke?«
    »Oh, ich werde Sie nicht verschonen. Es ist das Vorrecht des Reisenden, sich über jede kleine Unannehmlichkeit zu beschweren und seinen Freunden darüber zu berichten. Erwarten Sie lange Beschreibungen.«
    Wie es dieser Tage oft geschah, verdüsterte sich Stranges Stimmung plötzlich. Sein gut gelaunter ironischer Ausdruck löste sich auf, und er blickte stirnrunzelnd auf die Kohlenschütte. »Ich frage mich, ob Sie ...«, sagte er schließlich. »Das heißt, ich möchte Sie bitten...« Er gab einen ungehaltenen Laut über seine eigene Zögerlichkeit von sich. »Würden Sie Lady Pole etwas von mir ausrichten? Ich wäre Ihnen sehr dankbar. Arabella hing sehr an Lady Pole, und ich weiß, dass sie es nicht gutheißen würde, wenn ich England verlasse, ohne ihr eine Botschaft zukommen zu lassen.«
    »Gewiss. Was soll ich ausrichten?«
    »Ach, richten Sie ihr meine herzlichsten Genesungswünsche aus. Was immer Sie für am besten halten. Es ist nicht wichtig, was Sie sagen. Aber Sie müssen sie darauf hinweisen, dass die Nachricht von Arabellas Mann stammt. Lady Pole soll wissen, dass der Mann ihrer Freundin sie nicht vergessen hat.«
    »Mit dem größten Vergnügen«, sagte Sir Walter. »Ich danke Ihnen.«
    Strange rechnete halb damit, dass Sir Walter ihn auffordern würde, selbst mit Lady Pole zu sprechen, aber das tat Sir Walter nicht. Niemand wusste, ob die Lady sich noch im Haus in der Harley Street aufhielt. In der Stadt ging das Gerücht um, dass Sir Walter sie aufs Land geschickt hatte.
    Strange war nicht der Einzige, der ins Ausland reisen wollte. Das war plötzlich Mode geworden. Viel zu lange waren die Briten durch den Krieg mit Buonaparte gezwungen gewesen, auf ihrer eigenen Insel zu bleiben. Viel zu lange waren sie gezwungen gewesen, ihre Neugier auf unbekannte Landschaften und kuriose Leute zu befriedigen, indem sie das schottische Hochland oder die englischen Seen oder den Derbyshire Peak besuchten. Aber jetzt war der Krieg vorbei, und sie konnten auf den Kontinent reisen und ganz andere Berge und Seen in Augenschein nehmen. Sie konnten die gefeierten Kunstwerke, die sie bislang nur als Stiche in Büchern gesehen hatten,

Weitere Kostenlose Bücher