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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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offenbar ein ausgemachter Schurke war, nicht davon abhalten, Mr. Norrell einen zweiten Brief zu schreiben, in dem er seinen Wohltäter mit Dank und Lob überhäufte und erklärte, dass »... ich mich und meine Freunde von nun an Ihrem Interesse unterstelle. Wir sind bereit, bei den nächsten Wahlen Ihrem edlen Wunsch gemäß abzustimmen, und falls ich in Zukunft zu Diensten sein kann, wird Ihr Befehl mich ehren und mein Ansehen in der Welt mehren. Ihr bescheidener und ergebener Diener, Wendell Markworthy.«
    Bislang hatte es Mr. Norrell nicht für notwendig erachtet, Mr. Markworthys Ansehen in der Welt zu mehren, indem er ihm die Ehre eines Befehls erwies, aber wie es schien (Childermass hatte es herausgefunden), hatte Mr. Markworthy das Geld dazu benutzt, sich und seinem Bruder eine Anstellung bei der East India Company zu sichern. Sie waren nach Indien gegangen und zehn Jahre später als sehr reiche Männer zurückgekehrt. Da er von Mr. Norrell, seinem ersten Gönner, nie irgendwelche Anweisungen erhalten hatte, wen er wählen sollte, war Mr. Markworthy dem Beispiel Mr. Bondells, seines Vorgesetzten bei der East India Company, gefolgt und hatte seine Freunde aufgefordert, das Gleiche zu tun. Er hatte sich bei Mr. Bondell sehr nützlich gemacht, der seinerseits ein guter Freund des Politikers Sir Walter Pole war. In der geschäftigen Welt des Handels und der Regierung geht es so zu, dass ein Gentleman einem anderen einen Gefallen schuldet, während ihm selbst jemand anders einen Gefallen schuldet und so weiter, bis schließlich eine Kette aus Versprechungen und Verpflichtungen entsteht. In diesem Fall erstreckte sich die Kette von Mr. Norrell bis zu Sir Walter Pole, und Sir Walter Pole war jetzt Minister.
KAPITEL 6
»Zauberei ist kein achtbares Unterfangen, Sir.«
Oktober 1807
    In solchen Zeiten war es nicht einfach, Minister zu sein. Der Krieg verlief schlecht und schlechter, und die Regierung wurde allseits gehasst. Kaum wurde eine neue Katastrophe öffentlich bekannt, war sich die Bevölkerung einig, dass die Minister schuld waren, und diese – arme Männer – konnten sich die Schuld nur gegenseitig zuschieben, was sie auch immer häufiger taten.
    Die Minister waren keine Dummköpfe, im Gegenteil, es waren ein paar brillante Männer darunter. Im Ganzen waren sie auch keine schlechten Menschen; mehrere von ihnen führten ein untadeliges häusliches Leben und fanden erstaunlichen Gefallen an Kindern, Musik, Hunden und Landschaftsmalerei. Doch die Regierung war so unbeliebt, dass es nahezu unmöglich gewesen wäre, im Parlament Entscheidungen zu fällen, hätte nicht der Außenminister so wohl durchdachte Reden gehalten.
    Der Außenminister war ein unvergleichlicher Redner. Gleichgültig wie gering die Regierung geschätzt wurde, wenn der Außenminister aufstand und sprach – wie anders dann doch alles schien. Wie rasch stellte sich heraus, dass alles Schlechte der vorhergehenden Regierung anzulasten war (eine Truppe boshafter Männer, die Dummheit mit bösen Absichten verbanden). Was das gegenwärtige Kabinett anbelangte, so war der Außenminister der Ansicht, dass die Welt seit den Tagen der Antike keine so tugendhaften, so missverstandenen und von ihren Feinden so schrecklich verleumdeten Männer gesehen hatte. Sie waren alle so weise wie Salomon, so edel wie Cäsar und so mutig wie Mark Anton; und kein Mann der Welt glich in puncto Ehrlichkeit Sokrates so sehr wie der Finanzminister. Aber trotz all dieser Tugenden und Fähigkeiten trug keiner der ministerlichen Pläne, die Franzosen zu schlagen, Früchte, und auch ihre Schlauheit gab Anlass zu Klagen. Herren vom Land, die in der Zeitung die Rede eines Ministers lasen, murmelten in ihren Bart, dass er gewiss ein schlauer Kerl war. Aber dieser Gedanke flößte den Herren vom Land Unbehagen ein. Sie argwöhnten, dass Schlauheit eine irgendwie unbritische Tugend war. Diese Art ruheloser, unberechenbarer Brillanz war vor allem eine Eigenschaft von Englands Erzfeind, dem Kaiser Napoleon Bonaparte; die Herren vom Land billigten sie nicht.
    Sir Walter Pole war zweiundvierzig und, es tut mir Leid, ziemlich schlau wie alle anderen im Kabinett. Er hatte mit allen großen Politikern seiner Zeit gestritten, und einmal, als beide betrunken waren, schlug ihn Richard Brinsley Sheridan mit einer Flasche Madeira auf den Kopf. Hinterher bemerkte Sheridan gegenüber dem Herzog von York: »Pole nahm meine Entschuldigung wie ein Gentleman an. Erfreulicherweise ist er ein so

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