Jonathan Strange & Mr. Norrell
gerechnet, dass Sie kommen, ohne dass ich Sie rufe.«
»Ah, ich habe über Ihren Vorschlag nachgedacht, dass wir zusammen zaubern. Und jetzt nenne ich es ein ausgezeichnetes Vorhaben.«
»Ich freue mich, das zu hören«, sagte Strange und unterdrückte ein Lächeln. »Aber sagen Sie mir eines. Ich habe seit Wochen versucht, Sie herbeizuzitieren. Warum sind Sie nicht früher gekommen?«
»Ach, das ist leicht erklärt«, sagte der Herr und begann eine Geschichte über einen Cousin, der sehr böse und sehr neidisch auf alle seine Talente und Tugenden war; der alle englischen Zauberer hasste; und dem es gelungen war, Stranges Zauberei zu durchkreuzen, so dass der Herr erst gestern Abend davon erfahren hatte. Es war eine überaus komplizierte Geschichte, und Strange glaubte kein Wort davon. Aber er hielt es für klug, so zu tun, als glaubte er sie, und er verneigte sich zum Zeichen, dass er sie akzeptierte.
»Und um Ihnen zu beweisen, wie sehr ich die Ehre, die Sie mir erweisen, zu schätzen weiß«, sagte der Herr zum Abschluss, »werde ich Ihnen alles geben, was Sie sich wünschen.«
»Alles?«, wiederholte Strange und sah ihn durchdringend an. »Und dieses Angebot ist – wenn ich Sie richtig verstehe – eine verbindliche Vereinbarung. Sie können mir nichts verweigern, nachdem ich es verlangt habe?«
»Nichts läge mir ferner.«
»Und ich kann um Reichtum oder Herrschaft über die ganze Welt bitten? Dinge dieser Art?«
»Genau!«, sagte der Herr hocherfreut. Er hob die Hände, um zu beginnen.
»Nun, ich will nichts dergleichen. Ich will in erster Linie Auskünfte. Wer war der letzte englische Zauberer, mit dem Sie zu tun hatten?«
Einen Augenblick herrschte Schweigen.
»Ach, das wollen Sie gar nicht wissen«, erklärte der Herr. »Ich versichere Ihnen, es ist ganz langweilig. Also. Es muss doch etwas geben, was Sie mehr als alles andere begehren. Ein eigenes Königreich? Eine wunderschöne Gefährtin? Prinzessin Pauline Borghese ist eine ganz entzückende Frau, und ich kann sie augenblicklich herholen.«
Strange öffnete den Mund, um etwas zu sagen, und hielt dann inne. »Pauline Borghese, sagen Sie? Ich habe in Paris ein Bild von ihr gesehen.« 140 Dann riss er sich zusammen und fuhr fort: »Aber dafür interessiere ich mich im Augenblick nicht. Erzählen Sie mir von Zauberei. Wie gehe ich vor, wenn ich mich in einen Bären verwandeln will? Oder in einen Fuchs? Wie heißen die drei zauberischen Flüsse, die durch das Königreich Agrace fließen? 141 Ralph Stokesey glaubte, dass diese Flüsse die Ereignisse in England beeinflussen. Stimmt das? In Die Sprache der Vögel werden Zauber erwähnt, die eine Veränderung von Farben beinhalten. Was können Sie mir darüber erzählen? Wofür stehen die Steine auf den Plätzen von Doncaster?«
Der Herr hob in geheuchelter Überraschung die Hände. »So viele Fragen!« Er lachte; es sollte ein fröhliches, unbeschwertes Lachen sein, klang aber etwas gezwungen.
»Also gut. Beantworten Sie eine meiner Fragen. Irgendeine.«
Der Herr lächelte freundlich.
Strange starrte ihn unverhohlen verärgert an. Offenbar galt das Angebot nur für Dinge, nicht für Informationen. Und wenn ich mir selbst etwas schenken wollte, würde ich gehen und etwas kaufen, dachte Strange. Wenn ich Pauline Borghese sehen wollte, würde ich einfach zu ihr gehen und mich vorstellen. Dafür brauche ich keine Zauberei. Wie um alles in der Welt... Plötzlich hatte er einen Einfall. Laut sagte er: »Bringen Sie mir etwas, was Sie von dem letzten englischen Zauberer, mit dem Sie zu tun hatten, erhielten.«
»Was?«, sagte der Herr erschrocken. »Nein, das wollen Sie nicht. Es ist wertlos, vollkommen wertlos. Denken Sie noch einmal nach.«
Er war eindeutig von Stranges Forderung beunruhigt – obwohl Strange keine Ahnung hatte, warum dem so war. »Vielleicht«, so dachte er, »hat ihm der Zauberer etwas Wertvolles gegeben, und er will sich nicht davon trennen. Einerlei. Wenn ich gesehen habe, was es ist, und davon erfahren habe, was zu erfahren ist, werde ich es ihm zurückgeben. Das sollte ihn von meinen guten Absichten überzeugen.«
Er lächelte höflich. »Eine verbindliche Vereinbarung, sagten Sie, wenn ich mich recht erinnere. Ich werde es – was immer es ist -später heute Abend erwarten.«
Um acht Uhr aß er mit den Greysteels in ihrem düsteren Speisesaal.
Miss Greysteel erkundigte sich nach Lord Byron.
»Oh!«, sagte Strange. »Er hat nicht die Absicht, nach England zurückzukehren.
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