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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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schlecht erweisen, wie wir fürchten. Die englischen Zauberer sind im Allgemeinen recht dumm. Sie wollen immer das Gleiche. Die Armen wünschen sich einen nie endenden Vorrat an Rüben und Haferbrei; die Reichen wollen mehr Reichtum oder Macht über die ganze Welt, und die Jungen sehnen sich nach der Liebe einer Prinzessin oder Königin. Sobald er mich um so etwas bittet, werde ich es ihm gewähren. Es wird ihm bestimmt eine Menge Ärger bereiten. Das tut es immer. Er wird abgelenkt sein, und dann können Sie und ich unseren Plan verfolgen, Sie zum König von England zu machen. Oh, Stephen! Wie froh ich bin, dass ich zu Ihnen gekommen bin. Sie haben Vernünftigeres zu sagen als alle anderen.« Auf der Stelle verdampfte der Zorn des Herrn, und er war bester Laune. Hinter einer Wolke tauchte die Sonne auf, und das in der Luft hängende Schneegestöber glitzerte und blendete (ob auch dafür der Herr verantwortlich war, wusste Stephen nicht).
    Er wollte gerade darauf hinweisen, dass er nichts vorgeschlagen hatte, aber in diesem Augenblick verschwand der Herr. Alle Menschen, Pferde, Kutschen, Katzen und Hunde tauchten wieder auf, und Stephen stieß mit einer dicken Frau in einem lila Mantel zusammen.
    Strange stand in ausgezeichneter Stimmung auf. Er hatte acht Stunden ohne Unterbrechung geschlafen. Zum ersten Mal seit Wochen war er nicht mitten in der Nacht aufgestanden, um zu zaubern. Um sich für seinen Erfolg zu belohnen, beschloss er, den Tag freizunehmen. Kurz nach zehn fand er sich in dem Palazzo ein, in dem die Greysteels logierten. Sie waren beim Frühstück, und er nahm ihre Einladung an, sich zu ihnen zu setzen, aß ein paar heiße Brötchen, trank Kaffee und teilte Miss Greysteel und Tante Greysteel mit, dass er den ganzen Tag zu ihrer Verfügung stünde.
    Tante Greysteel verzichtete zu Gunsten ihrer Nichte, und Miss Greysteel und Strange verbrachten den Vormittag damit, gemeinsam Bücher über Zauberei zu lesen. Es waren Bücher, die er ihr geliehen hatte oder die sie auf seine Empfehlung hin gekauft hatte. Es handelte sich um Der Rabenkönig. Eine Einführung für Kinder von Lord Portishead, Das Leben des Martin Pale von Hickman und Anatomie des Minotaurus von Hether-Grey. Strange hatte sie gelesen, als er anfing, Zauberei zu studieren, und es erheiterte ihn, dass sie ihm jetzt so schlicht und nahezu unschuldig erschienen. Es war die angenehmste Beschäftigung auf der Welt, Miss Greysteel vorzulesen, ihre Fragen zu beantworten und ihre Ansichten dazu anzuhören, die beflissen, intelligent und, wie ihm schien, etwas zu ernst waren.
    Nach einer leichten Mahlzeit erklärte Tante Greysteel um ein Uhr, dass sie alle zu lange gesessen hatten, und schlug einen Spaziergang vor. »Ich nehme an, Mr. Strange, dass Ihnen die frische Luft gut tun wird. Gelehrte vernachlässigen häufig die Körperertüchtigung.«
    »Wir sind sehr traurige Gestalten, Madam«, sagte Strange gut gelaunt.
    Es war ein schöner Tag. Sie schlenderten durch die engen Straßen und Gassen und stießen zufällig auf eine erfreuliche Reihe faszinierender Dinge: ein in Stein gehauener Hund mit einem Knochen im Maul; der Schrein eines Heiligen, den keiner von ihnen kannte; Vorhänge in einem Fenster, die zuerst aus üppiger feinster Spitze zu sein schienen, sich bei näherer Betrachtung jedoch als Spinnweben erwiesen – riesige, miteinander verwobene Spinnweben, die den ganzen Raum dahinter durchzogen. Sie hatten keinen Führer, der ihnen von diesen Dingen erzählte; niemand, den sie hätten befragen können, befand sich in der Nähe. Deswegen amüsierten sie sich, indem sie sich eigene Erklärungen ausdachten.
    Kurz vor Einbruch der Dämmerung traten sie auf einen frostigen, steinernen kleinen Platz mit einem Brunnen in der Mitte. Es war ein seltsam nüchterner und leerer Platz. Der Boden war mit uralten Steinen gepflastert. In den Mauern befanden sich erstaunlich wenige Fenster. Es war, als hätten die Häuser, gekränkt von irgendetwas, was der Platz getan hatte, ihm entschlossen den Rücken zugewandt und blickten in die entgegengesetzte Richtung. Es gab einen winzigen Laden, der nichts außer Fruchtgeleekonfekt in zahllosen Sorten und Farben feilbot. Er war geschlossen, aber Miss Greysteel und Tante Greysteel spähten durchs Fenster und fragten sich laut, wann er geöffnet hätte und ob sie hierher zurückfinden würden.
    Strange schlenderte herum. Er dachte an nichts Besonderes. Es war kalt – angenehm kalt –, und am Himmel ging der

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