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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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Herzog von Wellington dieser Tage Frankreich regierte. Derzeit stand die Frage zur Debatte, ob die Vereinigte Armee in Frankreich bleiben oder in ihr jeweiliges Heimatland zurückkehren sollte (was dem Wunsch der Franzosen entsprochen hätte). Den ganzen Tag über führte der Herzog mit dem Außenminister, Lord Castlereagh, diesbezüglich geheime Besprechungen, und am Abend aß er mit den Ministern in einem Haus am Grosvenor Square.
    Kaum hatten sie angefangen zu essen, als das Gespräch verstummte (was bei so vielen Politikern nur selten vorkommt). Die Minister schienen darauf zu warten, dass jemand etwas sagte. Der Premierminister, Lord Liverpool, räusperte sich ein wenig nervös und sagte: »Wir glauben nicht, dass Sie schon davon gehört haben, aber aus Italien wird uns berichtet, dass Strange verrückt geworden ist.«
    Des Herzogs Hand mit dem Löffel hielt auf halbem Weg zu seinem Mund inne. Er ließ den Blick über die Runde schweifen, dann fuhr er fort, seine Suppe zu essen.
    »Die Nachricht scheint Sie nicht sonderlich zu beunruhigen«, sagte Lord Liverpool.
    Seine Durchlaucht tupfte sich den Mund mit der Serviette ab. »Nein«, sagte er. »Sie beunruhigt mich nicht.«
    »Würden Sie uns Ihre Gründe dafür nennen?«, fragte Sir Walter Pole.
    »Mr. Strange ist exzentrisch«, sagte der Herzog. »Den Menschen in seiner Umgebung mag er verrückt erscheinen. Ich nehme an, dass sie die Gesellschaft von Zauberern nicht gewohnt sind.«
    Die Minister schienen dieses Argument nicht so überzeugend zu finden, wie Wellington beabsichtigt hatte. Sie führten Beispiele von Stranges Wahnsinn auf: sein Beharren darauf, dass seine Frau nicht tot war, sein seltsamer Glaube, dass die Menschen Kerzen im Kopf hatten, und den noch seltsameren Umstand, dass es nicht länger möglich war, Ananas nach Venedig zu bringen.
    »Die Fährleute, die Obst vom Festland in die Stadt bringen, behaupten, dass die Ananas aus ihren Booten fliegen, als würden sie aus Kanonen abgefeuert«, sagte Lord Sidmouth, ein kleiner, vertrockneter Mann. »Natürlich transportieren sie auch andere Früchte – Äpfel und Birnen und so weiter. Kein anderes Obst macht Schwierigkeiten. Und mehrere Personen wurden von den fliegenden Ananas verletzt. Warum der Zauberer ausgerechnet diese Früchte nicht ausstehen kann, vermag keiner zu sagen.«
    Der Herzog war nicht beeindruckt. »Das beweist alles gar nichts. Ich versichere Ihnen, auf der Halbinsel hat er wesentlich exzentrischere Dinge getan. Aber wenn er tatsächlich verrückt ist, dann hat er einen Grund dafür. Ich kann Ihnen nur raten, meine Herren, sich deswegen keine Sorgen zu machen.«
    Es herrschte eine Weile Schweigen, während die Minister sich über die letzte Bemerkung den Kopf zerbrachen.
    »Wollen Sie damit sagen, dass er vorsätzlich verrückt geworden ist?«, fragte jemand ungläubig.
    »Nichts ist wahrscheinlicher«, sagte der Herzog.
    »Aber warum?«, fragte jemand anders.
    »Ich habe keine Ahnung. In Spanien haben wir gelernt, ihm keine Fragen zu stellen. Früher oder später stellte sich immer heraus, dass alle seine unverständlichen und erstaunlichen Handlungen Teil seiner Zauberei waren. Man überlasse ihn seiner Aufgabe und zeige keine Überraschung über was immer er tut. So, meine Herren, behandelt man einen Zauberer.«
    »Ah, aber Sie haben noch nicht alles gehört«, sagte der Erste Lord der Admiralität beflissen. »Es gibt noch Schlimmeres. Wie berichtet wird, ist er von Beständiger Dunkelheit umgeben. Die Natürliche Ordnung der Dinge wurde auf den Kopf gestellt und ein ganzer Pfarrsprengel in Venedig in Immerwährende Nacht getaucht.«
    Lord Sidmouth erklärte: »Sogar Sie, Durchlaucht, mit Ihrer Schwäche für diesen Mann, müssen zugeben, dass ein Schleier Ewiger Dunkelheit nichts Gutes ahnen lässt. Was immer der Mann für unser Land getan hat, wir können nicht so tun, als ließe ein Schleier Ewiger Nacht Gutes ahnen.«
    Lord Liverpool seufzte. »Ich bedaure sehr, dass das alles passiert ist. Mit Strange konnte man immer reden, als wäre er ein ganz normaler Mensch. Ich hatte gehofft, dass er uns Norrells Taten deuten könnte. Jetzt jedoch scheint es, als müssten wir jemanden suchen, der uns Strange deutet.«
    »Wir könnten Mr. Norrell fragen«, sagte Lord Sidmouth.
    »Ich glaube nicht, dass wir von dieser Seite mit einem unvoreingenommenen Urteil rechnen können«, sagte Sir Walter Pole.
    »Was sollen wir also tun?«, fragte der Erste Lord.
    »Wir schicken den

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