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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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zumindest ein Mensch seine Hirngespinste ernst nimmt, möchte ich Sie dringend bitten, nicht zu fahren.«
    »Nun, Sir, ich gebe zu, ich bin sehr erfreut, dass Sie das sagen. Ich werde tun, was Sie mir raten. Wenn Sie mir meine Briefe zurückgeben, werde ich Sie nicht länger aufhalten.«
    »Mr. Woodhope«, sagte Lascelles. »Ich bitte Sie, lassen Sie sich Zeit. Unser Gespräch ist keineswegs schon beendet. Mr. Norrell hat all Ihre Fragen freimütig und rückhaltlos beantwortet. Jetzt müssen Sie ihm die gleiche Gunst erweisen.«
    Henry Woodhope runzelte die Stirn und blickte verwirrt drein. »Mr. Norrell hat mich sehr beruhigt. Wenn ich Mr. Norrell irgendwie zu Diensten sein kann, dann bin ich natürlich bereit dazu. Aber ich verstehe nicht ganz...«
    »Vielleicht habe ich mich nicht klar ausgedrückt«, sagte Lascelles. »Ich meinte selbstverständlich, dass Mr. Norrell auf Ihre Hilfe angewiesen ist, wenn er Mr. Strange helfen soll. Gibt es noch etwas, was Sie uns über die italienische Reise von Mr. Strange erzählen können? Wie erging es ihm, bevor er in diesem traurigen Zustand versank? War er guter Stimmung?«
    »Nein!«, sagte Henry empört, als hätte er eine Beleidigung aus der Frage herausgehört. »Der Tod meiner Schwester hat ihn schwer belastet. Zumindest anfänglich. Anfänglich schien er sehr unglücklich. Aber als er nach Genua kam, hat sich alles verändert.« Er hielt inne. »Jetzt schreibt er kein Wort mehr davon, aber seine früheren Briefe waren voll des Lobes für eine junge Dame – sie gehört zu der Gruppe, mit der er reist. Und ich konnte nicht umhin anzunehmen, dass er daran dachte, wieder zu heiraten.«
    »Eine zweite Heirat!«, rief Lascelles. »Und so schnell nach dem Tod Ihrer Schwester? Gütiger Gott. Wie schockierend. Wie bedrückend für Sie.«
    Henry nickte unglücklich.
    Nach einer Weile fuhr Lascelles fort: »Ich hoffe doch, dass er nicht früher schon die Gesellschaft anderer Damen schätzte? Ich meine, als Mrs. Strange noch lebte. Es hätte sie sehr unglücklich gemacht.«
    »Nein! Nein, natürlich nicht«, rief Henry.
    »Bitte vielmals um Entschuldigung, wenn ich Sie gekränkt habe. Ich wollte nicht unhöflich sein gegenüber Ihrer Schwester – eine überaus charmante Frau. Aber so etwas ist nicht ungewöhnlich, wissen Sie. Vor allem bei Männern mit einer gewissen Veranlagung.« Lascelles langte zu dem Tisch, auf dem Stranges Briefe an Henry Woodhope lagen. Er suchte, bis er einen bestimmten gefunden hatte. »In diesem Brief«, fuhr er fort und überflog ihn, »schreibt Mr. Strange: ›Jeremy schreibt mir, dass Du nicht getan hast, worum ich Dich gebeten habe. Aber es ist nicht von Bedeutung. Jeremy hat es getan, und das Ergebnis ist genau, wie ich es erwartet habe.‹« Lascelles legte den Brief weg und lächelte Mr. Woodhope freundlich an. »Worum hat Mr. Strange Sie gebeten, das Sie nicht getan haben? Wer ist Jeremy, und was ist das Ergebnis?«
    »Mr. Strange... Mr. Strange bat mich, den Sarg meiner Schwester zu exhumieren.« Henry blickte zu Boden. »Natürlich wollte ich das nicht tun. Deswegen hat Strange seinem Diener geschrieben, einem Mann namens Jeremy Johns. Ein sehr arroganter Mann.«
    »Und Johns hat den Leichnam exhumiert?«
    »Ja. Er hat einen Freund in Clun, der Totengräber ist. Sie haben es zusammen getan. Ich kann meine Gefühle kaum beschreiben, als ich erfuhr, was diese Person getan hat.«
    »Ja, in der Tat. Aber was haben sie entdeckt?«
    »Was sollten sie entdecken, wenn nicht den Leichnam meiner armen Schwester? Gesagt haben sie allerdings etwas anderes. Sie haben eine lächerliche Geschichte erfunden.«
    »Was haben sie gesagt?«
    »Ich wiederhole nicht das Geschwätz der Dienerschaft.«
    »Selbstverständlich nicht. Aber Mr. Norrell hätte es gern, wenn Sie dieses ausgezeichnete Prinzip einen Augenblick beiseite lassen und offen und freimütig sprechen – so wie er zu Ihnen gesprochen hat.«
    Henry biss sich auf die Lippen. »Sie sagten, im Sarg hätte sich ein großes Stück schwarzen Holzes befunden.«
    »Kein Leichnam?«, sagte Lascelles.
    »Kein Leichnam«, sagte Henry.
    Lascelles blickte zu Mr. Norrell. Mr. Norrell blickte auf die Hände in seinem Schoß.
    »Aber was hat der Tod meiner Schwester damit zu tun?«, fragte Henry stirnrunzelnd. Er wandte sich an Mr. Norrell. »Vorhin haben Sie doch gesagt, dass der Tod meiner Schwester nichts Außergewöhnliches an sich hatte. Ich dachte, Sie sagten, dass er nichts mit Zauberei zu tun

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