Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
Vom Netzwerk:
sagte er zu niemandem. »Früher oder später wendet sie sich gegen ihn.« Er stieg auf sein Pferd und ritt zurück zur Straße.
KAPITEL 63
Der Erste wird sein Herz in einem dunklen Wald unter dem Schnee begraben und dennoch sein Weh verspüren
Mitte Februar 1817
    Seit Lascelles den Hanover Square verlassen hatte, waren über achtundzwanzig Stunden vergangen, und Mr. Norrell war völlig aufgelöst. Er hatte Lascelles versprochen, dass sie auf ihn warten würden, aber nun befürchtete er, sie würden Strange im Besitz der Bibliothek in Hurtfew Abbey vorfinden, sobald sie dort einträfen.
    Im Haus am Hanover Square war es in dieser Nacht niemandem erlaubt, zu Bett zu gehen, und am Morgen waren alle müde und erschöpft.
    »Aber warum warten wir überhaupt?«, fragte Childermass. »Wozu wird er gut sein, wenn Strange kommt?«
    »Ich setze großes Vertrauen in Mr. Lascelles. Das weißt du. Er ist jetzt mein einziger Ratgeber.«
    »Sie haben immer noch mich«, sagte Childermass.
    Mr. Norrell blinzelte rasch mit seinen kleinen Augen. Sie schienen nur einen halben Satz entfernt zu sein von: Aber du bist nur ein Dienstbote . Mr. Norrell sagte nichts.
    Childermass schien ihn trotzdem zu verstehen. Er ließ einen leisen Laut des Ekels vernehmen und zog von dannen.
    Um sechs Uhr abends wurde die Bibliothekstür aufgerissen, und Lascelles trat ein. Er sah aus, wie er noch nie ausgesehen hatte: Sein Haar war völlig zerzaust, sein Halstuch war mit Staub und Schweiß befleckt, und sein Mantel und seine Stiefel waren schlammbespritzt.
    »Wir hatten Recht, Mr. Norrell!«, rief er. »Strange kommt!«
    »Wann?«, sagte Mr. Norrell erbleichend.
    »Das weiß ich nicht. Er war nicht so freundlich, uns diese Einzelheiten zu unterbreiten, aber wir sollten so schnell wie möglich nach Hurtfew Abbey abreisen!«
    »Wir können sofort aufbrechen. Alles ist vorbereitet. Also haben Sie Drawlight tatsächlich gesehen? Ist er hier?« Mr. Norrell reckte sich zur Seite, um festzustellen, ob er Drawlight hinter Lascelles entdecken könnte.
    »Nein, ich habe ihn nicht gesehen. Ich habe auf ihn gewartet, doch er ist nicht gekommen. Aber keine Angst, Sir!« (Mr. Norrell war dabei, ihn zu unterbrechen.) »Er hat einen Brief geschickt. Wir haben sämtliche Informationen, die wir benötigen.«
    »Ein Brief! Kann ich ihn sehen?«
    »Natürlich. Aber dafür wird während der Reise noch genügend Zeit sein. Wir müssen los. Meinetwegen soll es keine Verzögerung geben. Meine Bedürfnisse sind gering, und was mir fehlt, auf das kann ich gut verzichten.« (Dies war vielleicht etwas erstaunlich. Lascelles' Bedürfnisse waren bisher noch nie gering gewesen. Für gewöhnlich waren sie zahlreich und kompliziert.) »Kommen Sie, kommen Sie, Mr. Norrell. Rühren Sie sich. Strange kommt!« Er schritt aus dem Zimmer. Mr. Norrell erfuhr später von Lucas, dass er nicht einmal nach Wasser gefragt hatte, um sich zu waschen, oder um etwas zu trinken gebeten hatte. Er war einfach zur Kutsche gegangen, hatte sich in eine Ecke geworfen und gewartet.
    Um acht Uhr waren sie auf dem Weg nach Yorkshire. Mr. Norrell und Lascelles saßen in der Kutsche; Lucas und Davey saßen auf dem Kutschbock; Childermass ritt. Am Zollhäuschen von Islington zahlte Lucas den Zöllner. Die Luft roch nach Schnee.
    Mr. Norrell blickte träge in ein von einer Lampe erleuchtetes Ladenfenster. Es war ein anspruchsvolles Geschäft mit sparsamer Einrichtung und eleganten modernen Sesseln, auf denen die Kunden Platz nehmen konnten; ja, es war ein so vornehmes Geschäft, dass keineswegs klar war, was dort verkauft wurde. Ein Stapel mit irgendetwas Grellfarbigem lag auf einem Stuhl, aber Mr. Norrell konnte nicht erkennen, ob es sich um Schals oder Kleiderstoff oder etwas ganz anderes handelte. Im Laden befanden sich drei Frauen. Eine war eine Kundin – eine gepflegte, elegante Person in einem Spenzer mit Pelz- und Schnürbesatz, der einer Husarenuniform glich. Auf dem Kopf trug sie eine kleine russische Pelzmütze, an die sie immer wieder griff, als fürchtete sie, sie würde herunterfallen. Die Ladenbesitzerin war etwas zurückhaltender angezogen: Sie trug ein einfaches dunkles Kleid. Darüber hinaus gab es noch eine unscheinbare Gehilfin, die sich ehrerbietig umschaute und jedes Mal, wenn jemand sie eines Blickes würdigte, einen kleinen Knicks vollführte. Die Kundin und die Besitzerin waren nicht mit einem Kauf beschäftigt; vielmehr unterhielten sie sich lebhaft und lachend. Die Szene hatte so gar

Weitere Kostenlose Bücher