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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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Teufel herbeirief, damit sie Mr. Norrell fortschafften. Sie horchten auf Kampfgeräusche. Sie hörten keine.
    Im Nebenzimmer schrie jemand auf. Einer der Dienstboten hatte die Tür zum Salon geöffnet und dahinter das Frühstückszimmer vorgefunden. An das Frühstückszimmer schloss sich Mr. Norrells Wohnzimmer an, darauf folgte sein Ankleidezimmer. Die alte Anordnung der Zimmer war plötzlich wiederhergestellt; das Labyrinth war gebrochen.
    Diese Entdeckung sorgte für große Erleichterung. Die Dienstboten verließen Lascelles auf der Stelle und gingen in die Küche, der natürliche Zufluchtsort und sichere Hafen ihres Standes. Lascelles setzte sich – genauso natürlich – ganz allein in Mr. Norrells Wohnzimmer. Dort wollte er bleiben, bis Mr. Norrell zurückkehrte. Und falls Mr. Norrell nicht wiederkam, wollte er auf Strange warten und ihn dann erschießen. Was kann ein Zauberer schon gegen eine Bleikugel ausrichten?, dachte er. Zwischen dem Abfeuern der Pistole und der Explosion seines Herzens hat er keine Zeit zu zaubern.
    Aber der Trost, den diese Gedanken spendeten, währte nur kurz. Im Haus war es zu still, die Dunkelheit war zu magisch. Und er war sich nur allzu bewusst, dass sich die Dienstboten in geselliger Runde an einem Ort befanden, die beiden Zauberer, die Gott weiß was taten, an einem anderen, und er sich mutterseelenallein an einem dritten Ort aufhielt. Eine Ecke des Zimmers füllte eine alte Standuhr aus, ein letztes Stück aus Mr. Norrells Kindertagen in York. Diese Uhr hatte sich wie alle anderen Uhren im Haus auf Mitternacht vorgestellt, als Strange eingetroffen war. Aber sie hatte es nicht freiwillig getan; sie wehrte sich ausdrücklich gegen eine so unerwartete Wendung der Dinge. Sie tickte jetzt unregelmäßig, als wäre sie betrunken oder hätte Fieber, und hin und wieder gab sie ein Geräusch von sich, dass sich bemerkenswerterweise anhörte wie Atemholen; und jedes Mal, wenn sie das tat, glaubte Lascelles, Strange hätte den Raum betreten und wollte etwas sagen.
    Er stand auf und ging zu den Dienstboten in die Küche.
    Die Küche von Hurtfew Abbey ähnelte der unterirdischen Gruft einer großen Kirche; sie war erfüllt von klassischen Winkeln und klassischer Düsternis. In der Mitte der Küche brannte eine große Anzahl Talgkerzen, und dort hatten sich alle Dienstboten eingefunden, die Lascelles jemals in Hurtfew gesehen hatte, und viele, die er noch nie gesehen hatte. Er lehnte sich an eine Säule oben an der Treppe.
    Lucas blickte zu ihm hinauf. »Wir haben darüber gesprochen, was wir tun sollen, Sir. Wir werden in einer halben Stunde von hier fortgehen. Wenn wir bleiben, können wir Mr. Norrell nicht von Nutzen sein, uns selbst jedoch womöglich schaden. Das ist unser Plan, Sir. Wenn Sie anderer Meinung sind, Sir, werde ich Sie gern anhören.«
    »Meine Meinung!«, rief Lascelles aus. Er blickte vollkommen perplex drein und heuchelte dabei nur ein bisschen. »Es ist das erste Mal, dass mich ein Dienstbote nach meiner Meinung fragt. Danke, aber ich will keinen Anteil an dieser...« Er dachte eine Weile nach, bevor er sich für das kränkendste Wort in seinem Vokabular entschied. »... Demokratie.«
    »Wie Sie wünschen, Sir«, sagte Lucas milde.
    »In England muss es jetzt Tag sein«, sagte ein Dienstmädchen und schaute sehnsüchtig zu den Fenstern hoch oben in der Mauer.
    »Das hier ist England, albernes Ding!«, erklärte Lascelles.
    »Nein, Sir. Ich bitte vielmals um Entschuldigung«, sagte Lucas, »aber das ist es nicht. England ist ein natürlicher Ort. Davey, wie lange brauchst du, um die Pferde zu holen?«
    »Oh!«, rief Lascelles. »Ihr seid alle überaus dreist, das muss ich sagen, vor mir euren Diebstahl zu besprechen. Was? Ihr meint, ich werde nicht gegen euch aussagen? Im Gegenteil, ich werde euch alle hängen sehen.«
    Ein paar der Dienstboten blickten nervös auf die Pistolen in Lascelles' Händen. Lucas jedoch beachtete ihn nicht.
    Die Dienstboten kamen rasch überein, dass diejenigen, die Verwandte oder Freunde in der Nachbarschaft hatten, diese aufsuchen würden. Der Rest würde mit den Pferden zu den Bauernhöfen geschickt, die zu Mr. Norrells Anwesen gehörten.
    »Sie sehen also, Sir«, sagte Lucas zu Lascelles. »Niemand stiehlt hier etwas. Keiner von uns ist ein Dieb. Mr. Norrells Eigentum wird auf seinem Land bleiben – und wir werden uns so gewissenhaft um seine Pferde kümmern, als würden sie hier in den Ställen stehen, aber es wäre boshaft und grausam,

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