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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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Heiligen Johannes auf einem Silbertablett trug. Vor ihnen befanden sich zwei Türen. Die Tür zu ihrer Rechten kam Lascelles unbekannt vor, als hätte er sie noch nie gesehen. Mr. Norrell führte sie hindurch, und sofort waren sie – wieder im Salon.
    »Warten Sie«, sagte Mr. Norrell verwirrt. Er blickte hinter sich. »Ich muss mich ... Nein. Warten Sie. Jetzt hab ich's! Kommen Sie!«
    Noch einmal betraten sie durch das Speisezimmer den Korridor. Diesmal gingen sie durch die Tür zu ihrer Linken. Sie führte sie ebenfalls direkt zurück in den Salon.
    Mr. Norrell entfuhr ein lauter verzweifelter Aufschrei. »Er hat mein Labyrinth gebrochen und ein anderes gegen mich gewebt!«
    »In gewisser Hinsicht, Sir«, bemerkte Lascelles, »wünschte ich, Sie hätten ihm nicht so viel beigebracht.«
    »Oh! Ich habe ihm nie beigebracht, wie man so etwas macht -und Sie können sicher sein, dass er es von niemand anderem gelernt hat. Entweder hat der Teufel es ihm beigebracht, oder er hat es heute Nacht in meinem Haus gelernt. Das ist das Genie meines Feindes! Versperren Sie ihm die Tür, und er lernt zuerst, wie man das Schloss knackt, und dann, wie man sie mit einem noch besseren Schloss vor Ihnen verschließt.«
    Lucas und die anderen Dienstboten zündeten weitere Kerzen an, als ob die Helligkeit ihnen irgendwie helfen könnte, Stranges Zauberstücke zu durchschauen und Wirklichkeit von Zauberei zu unterscheiden. Bald erstrahlte jedes der drei Zimmer in hellem Licht. Kerzenhalter und Kandelaber wurden auf sämtlichen Stellflächen verteilt, doch das führte nur zu allseitiger, noch größerer Verwirrung. Sie gingen vom Speisezimmer in den Salon, vom Salon in den Korridor. – »Wie Füchse in einem verstopften Erdloch«, sagte Lascelles. Doch so sehr sie sich auch bemühten, es gelang ihnen nicht, die drei Räume zu verlassen.
    Die Zeit verging. Wie schnell, das konnte keiner sagen. Sämtliche Uhren hatten sich auf Mitternacht gestellt. Jedes Fenster zeigte die Schwärze der ewigen Nacht und die unbekannten Sterne.
    Mr. Norrell blieb stehen. Er schloss die Augen. Sein Gesicht war so dunkel und angespannt wie eine Faust. Er stand reglos da, nur seine Lippen bewegten sich leicht. Dann öffnete er kurz die Augen und sagte: »Folgen Sie mir.« Er schloss die Augen wieder und setzte sich in Bewegung. Es war, als folgte er dem Grundriss eines ganz anderen Hauses, das irgendwie in seines gezwängt worden war. Die Richtungen, die er einschlug, mal nach links, mal nach rechts, bildeten einen neuen Pfad – einen, den er noch nie zuvor beschritten hatte.
    Nach drei oder vier Minuten öffnete er die Augen. Vor ihm lag der Korridor, nach dem er gesucht hatte – der mit dem Boden aus Steinfliesen –, und an seinem Ende befand sich der große schattige Umriss der Bibliothekstür.
    »Jetzt werden wir sehen, was er tut!«, rief er. »Lucas, halte die Bleiketten und Bleischlösser bereit. Gegen Zauberei gibt es keine bessere Prophylaxe als Blei. Wir werden ihm die Hände fesseln, und das wird ihn ein wenig behindern. Mr. Lascelles, wie lange wird es Ihrer Meinung nach dauern, einen Brief an die Minister zu schicken?« Er war ein wenig überrascht, von niemandem eine Antwort zu erhalten, also drehte er sich um.
    Er war völlig allein.
    Aus einiger Entfernung hörte er, wie Lascelles etwas sagte; seine kalte, gleichgültige Stimme war unverkennbar. Er hörte, wie einer der anderen Dienstboten und dann Lucas antwortete. Doch allmählich verstummten alle Laute. Die Geräusche, die die Dienstboten machten, wenn sie von Raum zu Raum eilten, waren verstummt. Es herrschte Stille.
KAPITEL 64
Die zwei Versionen der Lady Pole
Mitte Februar 1817
    Nun«, sagte Lascelles. »Damit habe ich nicht gerechnet.« Er und die Dienstboten standen vor der nördlichen Wand des Speisezimmers – die Wand, durch die Mr. Norrell gerade mit aller Gelassenheit der Welt gegangen war.
    Lascelles streckte die Hand aus und berührte sie; sie war vollkommen solide. Er drückte fest dagegen; sie rührte sich nicht.
    »Wollte er das tun?«, fragte einer der Dienstboten.
    »Es ist nicht wichtig, was er tun wollte«, sagte Lucas. »Er ist jetzt bei Mr. Strange.«
    »Was so viel heißt, dass er jetzt beim Teufel ist«, fügte Lascelles hinzu.
    »Was wird jetzt passieren?«, fragte ein anderer Dienstbote.
    Niemand gab ihm eine Antwort. Allen Anwesenden gingen Bilder von Zauberschlachten durch den Kopf: Mr. Norrell, der mystische Kanonenkugeln auf Strange schleuderte; Strange, der

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