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Jones, Diana Wynne

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Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 03 Der Fluss der Seelen
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Boot zu wuchten, während er sich an der Bordwand entlanghangelte, um Koribs Pfeilen zu entgehen. Das Boot kippte beängstigend und machte Herns Bemühungen zunichte, indem es herumdrehte und ihn wieder in Koribs Schussfeld brachte. Danach kreiselte der Kahn ständig, und jedes Mal, wenn ich das Ufer sah, war es an einer anderen Stelle. Korib schoss ständig weiter, nicht nur auf Hern, sondern auch auf Entchen und mich, aber wir waren viel zu sehr damit beschäftigt, Hern ins Boot zu zerren, als dass wir um unser Leben gefürchtet hätten. Später zählten wir sechs Pfeile, die in der Decke steckten, und dazu kam noch der Pfeil im Ruder.
    Irgendwann gelang es uns, Hern über die Bordwand ins Boot zu ziehen. Inzwischen hatte Robin die Ruderpinne eingehakt und versuchte zu lenken, aber der Kahn kreiselte noch immer. Hern lag tropfnass neben Gull. Er schämte sich sehr und versuchte, seine Scham mit Lachen zu überdecken. »Wenn sich eure Kleider erst mit Wasser voll gesogen haben, könnt ihr nicht mehr schwimmen, wisst ihr«, sagte er. »Dann sind sie so schwer wie Blei.« Wir redeten ihm gut zu, damit er sich etwas Trockenes anzog.
    Mittlerweile hatten wir den Teil des Flusses, den wir kannten, fast hinter uns gelassen und tauchten in den dichten Wald ein, so schnell waren wir gefahren. Ich übernahm von Robin die Ruderpinne und versuchte, unser Kreiseln zu beenden. Leicht war es nicht. Die Strömung war so stark, dass man, wenn man das Boot auch nur ein bisschen seitwärts lenkte, rascher ins Kreiseln geriet, als man bis fünf zählen konnte. Ich musste all mein Geschick aufbieten, aber trotz allem, was meine Brüder behaupten, bin ich als Fährmann genauso gut wie sie.
    »Das ist sehr gefährlich«, sagte Entchen, der mich beobachtete. »Wir können nur dorthin fahren, wohin der Strom uns bringen will. Wie sollen wir ans Ufer kommen?«
    Bevor ich ihm entgegnen konnte, was ich gern ausgesprochen hätte, sagte Gull unvermittelt: »Wir können dorthin fahren, wohin der Strom uns bringen will.« Er setzte sich auf und lehnte sich an eine Ruderbank. Er wirkte so glücklich und verträumt, wie ich ihn von den Sommertagen her kannte, an denen wir mit dem Boot angeln fuhren, und wir alle waren uns sicher, dass es ihm wieder besser ging.
    Nun erst bemerkten wir – als hätten wir es bislang nicht gewusst –, dass wir Iglingen weit hinter uns gelassen hatten, und darüber waren wir froh. Ich glaube nicht, dass einer von uns es je bedauert hat. Wir lachten. Wir erzählten uns gegenseitig, welche glücklichen Umstände zu unserer Flucht geführt hatten, und ich glaube, dass keiner von uns je diese Zeit vergessen wird. Während wir schwatzten, fuhren wir so flugs stromabwärts, wie eine Schwalbe segelt, geradewegs in der Mitte des Stroms, und die Bäume am Ufer schienen mit unserer Geschwindigkeit um uns herumzuwirbeln.
    An diesem Tag müssen wir viele Meilen zurückgelegt haben, und doch war auf der ganzen Strecke an beiden Ufern immer nur überfluteter Wald zu sehen. Nichts gab es zu entdecken außer den hohen, kahlen Bäumen, die an ihren höchsten Zweigen das erste Grün zeigten, während das Wasser ihre Stämme umschlängelte. Sie wirkten kalt und schiefrig. Ich gestehe, dass ich enttäuscht war. So ist es häufig, wenn man davon träumt, etwas ganz Neues zu tun: Am Ende ist es dann gar nicht so ungewöhnlich.
    Als der Abend hereinbrach, versuchte ich das Boot durch die Strömung ans Ostufer zu steuern. Iglingen liegt am Westufer. Wir glaubten zwar nicht, dass Zwitt uns jemanden hinterhergeschickt hatte, blieben aber trotzdem in den kommenden Nächten auf der anderen Seite des Stromes. Durch diese Vorsichtsmaßnahme wären wir am ersten Abend alle beinah ertrunken. Der Strom war reißend schnell; wir gerieten wieder ins Kreiseln, und ganz egal, was Hern, Robin und ich versuchten, während wir zugleich an der Ruderpinne zerrten, wir konnten das Herumwirbeln nicht stoppen. Nur Gull saß ganz ruhig da. Entchen hob die Dame auf und drückte sie sich an die Brust. Da packte eine besonders reißende Strömung die vordere Hälfte des Bootes, und wir legten uns über. Ich streckte die Hand aus und ergriff den Einen, aber er fühlte sich so hart und kalt an, dass ich ihn wieder hinstellte und statt seiner den Jüngling an mich nahm. Es überrascht mich noch heute, dass wir ohne zu kentern die Bäume erreichten. Ich bin mir sicher, dass wir unser Glück allein unseren Unvergänglichen zu verdanken haben.
    Wir stakten und stießen

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