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Jones, Diana Wynne

Jones, Diana Wynne

Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 03 Der Fluss der Seelen
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Wir essen, während wir fahren.«
    »Warum die Eile?«, fragte ich.
    »Wer ist hier denn so herrisch?«, fragte Entchen.
    »Ich bin jetzt das Familienoberhaupt!«, fauchte Hern und wirbelte zu ihm herum. »Tu, was ich dir sage!«
    Entchen und ich drehten uns Robin zu. Sie blickte die Tonfigur an, die sie in den Händen barg, und zuckte mit den Achseln. »Ich würde sagen, er spricht die Wahrheit.«
    »Das könnte er aber netter sagen«, fand Entchen. Wir starrten Hern finster an, Entchen und ich.
    »Ich kann nicht nett sein, bevor ich gefrühstückt habe«, sagte Hern. »Ich bin ganz wild auf Frühstück. Wir haben nichts außer Trugbildern gegessen, seit wir an Land gegangen sind. Meinst du nicht auch, Robin?«
    »Ich weiß nicht recht. Woher soll gerade ich das wissen?«, fragte Robin, während sie ins Boot stieg.
    Wir stakten durch die Binsen bis in die Strömung der beiden Flüsse und trieben auf einer rötlichen, trägen Flut zwischen den beiden Baumreihen, die eigentlich an den Ufern hätten stehen sollen. Das Brot war schrecklich altbacken und die Kohlköpfe rochen schon schlecht. Wir kauten Karotten, harten Käse und Dörrobst. Entchen war so hungrig, dass er eine Zwiebel aß. Ihm tränten die Augen. Wir fühlten uns alle nass, reizbar und auf eine selbstmitleidige Art verängstigt. Wir wussten, dass wir in die Wirklichkeit zurückgekehrt waren, und hätten gern die Gründe dafür erfahren: weshalb Tanamil uns erst bei sich behalten und dann vor die Tür gesetzt hatte.
    »Du sagst, wir hätten Trugbilder gespeist«, wandte ich mich an Hern, als wir zu Ende gegessen hatten. »Aber du glaubst doch nicht an Zauberei.«
    »Ich glaube, was ich sehe«, entgegnete Hern, »und ich habe gesehen, was mit Gull geschehen ist. Ich hätte beinahe den Zauber gebrochen. Hätte ich’s mal getan. Und das Essen war zu gut, um echt zu sein. Ich kann eigentlich nicht hinnehmen, dass es nicht wirklich gewesen sein soll, aber das muss ich wohl. Das ist … das ist mir widerwärtig.«
    »So ein Pech«, sagte Entchen höflich.
    Hern war zu schwermütig, um ihn zu schlagen. »Wie sich das alles in meinem Kopf verwirrt, das ist es, was mich so ärgerlich macht«, sagte er. »Ich kann mich nicht richtig erinnern.« Ich begriff, dass Hern mit den gleichen Schwierigkeiten kämpfte wie ich. »Es ist zum Verrücktwerden!«, rief er aus. »Robin, was ist mit uns geschehen?«
    »Woher soll ich das wissen?« Robin war die Trübsinnigste von uns allen.
    Wir setzten das Segel. In den Falten des Tuches saßen Würmer, Ohrenkneifer und Käfer, und Asseln und Tierchen mit vielen Beinen hatten sich unter dem Mast eingenistet. Hern sah sie finster an. Er sah auch die Bäume finster an, während wir langsam zwischen ihnen hin und her fuhren und gegen den Wind kreuzten. Wir durchquerten die Baumreihen nicht, obwohl hinter ihnen noch weite Flächen hellen Wassers lagen, das in der Ferne glitzerte, weil wir nicht wussten, wie tief es dort war. Es waren keine Menschen zu sehen, nur Bäume, die aus dem Wasser ragten.
    Hern fragte: »Fällt euch an den Bäumen etwas auf?«
    Uns fiel nichts ins Auge. Während wir unter den ausladenden Ästen segelten, zählte Entchen auf: »Eichen, Ulmen, Weiden.«
    »Leg dich wieder schlafen!«, rief Hern. »Tanaqui, du hast doch scharfe Augen. Was ist mit diesen Bäumen?«
    Ich blickte hoch. Die Eiche, unter der wir gerade hindurchfuhren, war zwar groß, doch davon abgesehen sehr gewöhnlich. Gerade sprossen die ersten Blätter; sie sahen aus wie kleine Bündel aus gelben Lumpen. Die Ulmen und die Weiden weiter entfernt wirkten ganz genauso alltäglich, denn sie grünten bereits. »Jeder weiß doch, dass die Eichen immer später kommen«, sagte ich. »Die Bäume sehen jedes Frühjahr so aus.«
    »Das ist es!«, rief Hern. »Genau das ist es! Als wir zum Wässerkuss kamen, da waren die Bäume alle noch kahl!« Erstaunt blickten wir zu den frischen Blättern hoch. Hern hatte Recht. Ich erinnerte mich, wie er sagte, so weit unten auf dem Strom wie hier sei es, als segle man in den Winter zurück. »Nun erinnert euch an die vergangene Nacht«, sagte Hern. »Der Mond schien. Aber als wir losfuhren, war doch Neumond, oder?«
    Auch das war richtig. »Was meinst du, ist geschehen?«, fragte ich schaudernd.
    Hern runzelte die Stirn. »Viele Tage sind vergangen. Ich wünschte, ich wüsste, wie viele. Ich wünschte, ich wüsste, warum. Was hatte Tanamil nur vor?«
    »Glaubt ihr, er hat uns so lange aufgehalten, dass es zu spät ist

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