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Jones, Diana Wynne

Jones, Diana Wynne

Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 03 Der Fluss der Seelen
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gerufen?«
    Zuerst wusste ich gar nicht, was ich sagen sollte. Dann fiel mir ein, wie wir alle ihm die richtige Frage stellen sollten, was nur Robin getan hatte. »Beim letzten Mal«, sagte ich, »hätte ich dich fragen sollen, ob du der Jüngling bist, habe ich Recht?« Und ich stellte mich so, dass ich den Jüngling auf dem Mühlrad sehen konnte.
    Das war ein Fehler. Tanamil wandte die Augen von der Figur ab und erschauerte beinah. »Das ist wahr«, sagte er höflich und kühl. »Ich bin der Jüngling.«
    Er zeigte sich so wenig hilfsbereit, dass ich in Tränen ausbrach. Wahrscheinlich wird es mit mir genauso schlimm enden wie mit Robin. »Buhuu!«, machte ich, als wäre ich noch ein Säugling. »Es ist doch nicht meine Schuld, dass du Streit mit Robin hattest! Und jetzt bist du so kalt, der König will den Einen, und Jay will ihn auch, und wir können nicht einmal vor Kankredin fliehen, weil Robin sterben will! Buhuu!« Und ich heulte Rotz und Wasser, bis Tanamil mich schüttelte.
    »Was hast du über Robin gesagt?«, fragte er. Ich glaube, er musste mich mehrmals ansprechen. Wenn ich weine, höre ich niemanden außer mir.
    »Sie will sterben«, schluchzte ich.
    »Was für ein Unsinn!«, rief er mit wutentbranntem Gesicht aus. Er stieg aus dem Mühlbach und zerrte mich beinah so rau mit sich, wie ich mit dem Heidenlümmel Ked umgesprungen war. Krachend öffnete er die Mühlentür. Robin fuhr mit einem Aufschrei hoch. »Du siehst aus wie eine alte Frau!«, sagte Tanamil zu ihr. Ich finde, er hätte ruhig ein bisschen netter sein können. Gleich darauf stand Entchen neben mir und starrte ihn an. Mein Bruder warf mir einen Blick zu. Wir verließen die Mühle, schlossen hinter uns die Tür und setzten uns draußen in den Nebel.
    »Ich habe lange überlegt, ob ich es wagen sollte, ihn zu rufen«, sagte Entchen. »Aber ich hatte Angst, sie hasst ihn dafür, dass er einer der Unvergänglichen ist.«
    »Wir gehören auch zu den Unvergänglichen«, entgegnete ich. »Wir stammen auf beiden Seiten vom Einen ab.«
    »Ich weiß nicht – mir kommen wir verdächtig menschlich vor«, sagte Entchen. »Vielleicht sind nur unsere Seelen anders.«
    »Ich muss ihn fragen, wie wir Gull zurückbekommen«, sagte ich.
    »Das hat er uns schon verraten«, wies Entchen mich zurecht. »Er sagte, wir sollen ihn den Strom hinauf zum Einen bringen. Wir haben nur nicht verstanden, was er meinte.« Er war in weitaus zugänglicherer Stimmung als noch in der Nacht. Er sagte: »Wenn du willst, bringe ich ihn dorthin. Ich muss gehen. Ich habe den Unvergänglichen geschworen – das war, nachdem Zwitt gesagt hat, dass der Strom zornig ist und wir unsere Kuh nicht bei ihrem Vieh weiden lassen dürfen, weißt du noch? –, also ich habe geschworen, jeden Zoll des Stromes zu sehen, damit ich mehr über ihn weiß als der alte Zwitt.«
    »Ich verstehe«, sagte ich. »Der Eine möchte also, dass wir uns auf den Weg machen. Irgendwie müssen wir ein Boot in die Hände bekommen.«
    Schon bald waren wir so durchgefroren und zugleich so neugierig auf das, was in der Mühle vorging, dass wir die Tür öffneten, als die Katzen zurückkamen und miauend um Einlass verlangten. Mit ihnen gingen wir hinein.
    Robin saß mit untergeschlagenen Beinen auf ihren Decken und aß – sie stopfte das Essen in sich hinein, wenn man’s genau nimmt. Sie hatte wieder Farbe im Gesicht. Tanamil reichte ihr Happen vom Tisch, der sich unter erleseneren Speisen bog, als selbst der König sie kennt. Er lächelte uns zu und forderte uns auf, ebenfalls tüchtig zuzulangen. Dann sah er die Katzen an, und für jede von ihnen lag ein Fisch auf dem Boden. Die Mühle schien von Frieden und Frohsinn erfüllt. Ich glaube, Tanamil bringt diese Stimmung immer mit sich. Bei diesem Anlass aber steckte mehr dahinter; es lag auch an Robin. Ich hatte Recht: Sie sind ineinander verliebt, und sie wollen heiraten. Robin ist fast schon wieder gesund.
    Tanamil versicherte Entchen, das Essen sei kein Trugbild, wie Hern behauptete. Er hat die Macht, alles herbeizubringen, was es an den Ufern von Bächen und kleineren Flüssen gibt, auch aus dem tiefen Süden, wo nur sehr wenige Menschen leben. Während Tanamil uns das erklärte, kam Hern wieder herein. Anklagend trug er den Jüngling herein. »Wer hat ihn…«, begann er, dann erblickte er Tanamil.
    Ich hatte Angst, dass Hern zornig werden könnte. Das war er aber gar nicht, er war nur verlegen. Ich glaube, Mutter hat mit Hern über Tanamil gesprochen.

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