Jones, Diana Wynne
das über Kies gluckert. »Werde nur nicht zu raffiniert, Binsensüß.«
»Darf ich dich denn nach deinem Namen fragen und wie du dazu kamst, meinen Vater zu heiraten? Die Dame, die in der Mühle spukt, das bist du, richtig?«
»Als Closti noch ein junger Mann war, da spukte ich hier wohl wirklich«, antwortete Mutter. »Er pflegte hierher zu kommen, um zu angeln, seit er so alt war wie Gull jetzt ist. Und eines Tages trat ich ihm am Mühlteich entgegen. ›Ich heiße Anoreth‹, sagte ich. ›Möchtest du mich heiraten?‹ Anoreth heißt ›ungebunden‹, Tanaqui das darf ich dir sagen, weil du schon fast von selbst darauf gekommen bist. Ich nehme an, solche Fragen passen eher zu dir als etwa zu Robin, nicht wahr? Closti sagte, er habe mich schon oft als Spiegelbild im Wasser gesehen und würde mich mit Freuden zur Frau nehmen. Nur war er mit Zwitts Schwester verlobt. Er musste ihr den Mantel zurückgeben, und sie waren furchtbar beleidigt. Auch Zara war wütend. Und mein Vater verstieß mich. Von da an war die Mühle verboten, eine Folge seines Zorns. Als Entchen geboren wurde, hätte ich sterben müssen, aber meiner Seele war die Rückkehr versagt. Ich musste deinen Vater bitten, für mich zu tun, was Tanamil für Gull getan hat. Auf diese Weise konnte ich wenigstens über euch alle wachen.«
Mir kam es vor wie eine sehr traurige Geschichte. Nun weiß ich, weshalb wir Zwitt so verhasst sind. »Gull«, sagte ich. »Können wir Gull zurückholen?«
»Frag Tanamil«, antwortete Mutter.
»Ich gehe und hole ihn jetzt«, sagte ich.
Mutter hielt mich bei der Hand. »Warte«, sagte sie. »Hab ein wenig Takt, Tanaqui. Tanamil mag es zum Beispiel gar nicht, wenn man ihn daran erinnert, dass er gebunden ist. Dann ist da noch Robin.«
»Mir ist klar, dass Robin viel weiß. Sie wusste sogar, wer Tanamil ist«, sagte ich. »Was also soll ich tun?«
»Schlaf darüber«, sagte Mutter. »Falk würde euch ein Boot leihen, in dem ihr Robin fortschaffen könntet.«
Danach gingen wir durch die Stromtür zurück in die Mühle. Mutter küsste Robin und Entchen, dann führte sie Hern in den Wald und redete dort mit ihm. Ich glaube, sie wusste, dass Herns Geist es nicht ausgehalten hätte, auf dem Strom zu wandeln. Hern weigert sich, mir anzuvertrauen, was sie ihm sagte, aber er ist nun viel fröhlicher.
Schon am Morgen, nachdem Mutter gekommen war, verstieß ich gegen ihr Gebot. Robin erwachte bei Sonnenaufgang. Sie war bleich, ihr Haar war nass, und sie sah kränker aus denn je.
»Ich wünschte, ich könnte schneller sterben als so!«, rief sie.
Bisher hatte ich nicht begriffen, dass Robin wirklich sterben wollte. Ich war entsetzt. »Kankredin …«, sagte ich. Ich fühlte mich zu schläfrig, um weiterzureden.
»Über sein Netz weiß ich genau Bescheid«, entgegnete Robin. »Darauf werde ich vorbereitet sein. Entchen sagt, dass es recht vielen Seelen gelingt, hindurchzuschlüpfen.«
»Woher willst du wissen, wie dick deine Seele ist?«, versetzte ich, hielt mich jedoch nicht mit weiteren Einwänden auf. Tatsächlich weiß ich nämlich nicht, was ich ohne Robin anfangen sollte. Ich kletterte flink die Leiter hoch, und als ich zurückkam, drückte ich mich an Robin vorbei. Den Jüngling hielt ich im Ärmel meines Wollmantels versteckt. »Ich lasse die Katzen vor die Tür«, sagte ich. Sie miauten schon die ganze Zeit, weil sie wussten, dass es Morgen war. Ich trat mit ihnen in weißen Nebel hinaus. Alles war feucht und tropfte leise. Ich blickte besorgt in den Mühlbach. Die Schleusen, die ihn mit dem Teich verbinden, sind schon länger geschlossen, als Robin auf der Welt ist. Dennoch sickerte ein schmales Rinnsal zwischen den Binsen und Vergissmeinnicht hindurch.
Ich kletterte hinunter und stellte den Jüngling auf eine der Schaufeln des Mühlrads. »Tanamil«, sagte ich, »Jüngerer Strom, würdest du bitte zu mir kommen. Wir brauchen dich wirklich dringend.«
Ich kam mir albern vor. Das tönerne Abbild veränderte oder bewegte sich in keinster Weise. Als ich hörte, dass jemand hinter mir in den feuchten Pflanzen des Grabens raschelte, fühlte ich mich so töricht, dass ich herumwirbelte – und mich vor dem Jüngling wiederfand.
Tanamil war es, der aus der feuchten Weiße gekommen und dem Mühlbach gefolgt war. An seinem ganzen Leib hafteten Nebeltröpfchen. Mutter hatte recht daran getan, mich zu warnen. Er bedachte mich mit einem argwöhnischen, abweisenden Blick, als habe er mich noch nie gesehen. »Hast du mich
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