Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jones, Diana Wynne

Jones, Diana Wynne

Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 01 Die Spielleute von Dalemark
Vom Netzwerk:
bemühte, denn zu eindeutig meinte er es gut mit ihnen. Wenn Ganner für jemanden, der an Clennen gewöhnt war, recht mittelmäßig wirkte, so war das wohl kaum Ganners Schuld, sagte sich Moril.
    »Wie ein Ganter sieht er nicht aus«, raunte Brid ihm leicht enttäuscht zu. Kialan musste sich auf die Lippen beißen. Moril sah zu, wie Ganner höflich Lenina vom Wagen half. Sein Lächeln verriet, wie sehr er sie verehrte. Davon abgesehen wirkte er völlig normal und zeigte keinerlei Ähnlichkeit mit einem Ganter.
    »Ach du liebe Zeit!«, rief Ganner aus, als sie alle vom Wagen gestiegen waren. »Schuhe! Stiefel! Könnt ihr euch denn nur ein Paar Stiefel leisten?«
    Lenina blickte an der Reihe nackter Füße entlang, die nur von Kialans abgestoßenen Stiefeln unterbrochen wurde. »Wir geben uns damit eigentlich nicht ab«, erklärte sie. »Aber Collen hat solch empfindliche Füße.«
    »Ich muss unbedingt dafür sorgen, dass ihr auf der Stelle anständiges Schuhwerk bekommt!«, rief Ganner geistesabwesend aus.
    »Weißt du was? Vielleicht ist er doch ein Ganter«, wisperte Brid voll Genugtuung.
     

5.
    An diesem Nachmittag fragte sich Moril, ob es denn wirklich sein konnte, dass sie Clennen erst am gleichen Morgen beerdigt hatten. Ihm kam es vor, als sei es schon hundert Jahre her, so viel war auf ihn eingeströmt. Nach einem guten Frühstück, auf das die Aufmerksamkeiten eines Schneiders, eines Schusters und Ganners alter Amme folgten und darauf wiederum ein erstaunlich schmackhaftes Mittagessen, kannte sich Moril kaum noch selbst. Er blickte in den Spiegel – dazu erhielt er so selten Gelegenheit, dass er es lange und ausgiebig auskostete – und sah einen Jungen mit glatt gekämmten roten Haaren in einem blauen Anzug aus gutem Tuch und einem Paar weicher, rostfarbener Stiefel. Wenn er ehrlich war, so gefielen die Stiefel ihm ausgezeichnet. Trotzdem entsprach er gar nicht mehr dem Bild, das er von sich selbst hatte. Dagner und Kialan waren zu geschniegelten, vornehmen Gestalten in ähnlichen blauen Kleidern geworden, Brid eine junge Dame in leuchtendem Kirschrot. Alle vier benahmen sich höchst besonnen und wohlerzogen, und das nicht etwa, weil Ganner darauf bestand – das tat er nämlich nicht –, sondern weil Markind einer jener Orte war, an denen man sich einfach nicht anders benehmen kann.
    Die größte Veränderung aber war mit Lenina vor sich gegangen. Auch sie ging nun erlesen gekleidet und hatte eine Frisur, wie Damen sie trugen. Ihre Wangen waren rosiger als sonst, und sie lachte und schwatzte und kümmerte sich mit Ganner um hunderterlei Angelegenheiten. Moril hatte seine Mutter nicht oft lachen gesehen, und noch nie hatte er sie so gesprächig erlebt. Wie ausgewechselt war sie, und das bekümmerte ihn, bekümmerte ihn noch mehr als zu hören, dass sie noch am gleichen Abend Ganner heiraten wollte.
    Moril konnte Ganner recht gut leiden. Ganner hatte zu Moril gesagt, er könne tun, was ihm Spaß mache, und gehen, wohin er wolle. Offenbar hatte er das ernst gemeint. Er war ein sehr gutmütiger Mensch. Auch die anderen Leute im Haus mochte Moril ganz gut leiden, besonders aber Ganners alte Amme. Sie war sehr mütterlich und sagte eigentlich zu oft, sie habe immer gewusst, dass Lenina Thorntochter zurückkehren würde, aber sie nannte Moril ›mein Entchen‹ und sagte, er sei ein ›Segen‹. Und während sie ihn ankleidete, erzählte sie ihm die Geschichte eines Barons von Markind, der ein Gesetzloser gewesen war. Moril kannte sie noch nicht und sog jedes Wort in sich auf. Aber er fühlte sich eigenartig dabei. Alles kam ihm eigenartig vor.
    Moril nahm Ganner beim Wort und erkundete das Haus. Er entdeckte zwei Gärten und die Küche. Er schaute in die Keller und die niedrigen Räume unter dem Dachstuhl, doch zwischen seinen Erkundungsgängen zog es ihn, wie er bemerkte, immer wieder in die Stallungen. Man hatte den Wagen in einem Kutschhaus so untergestellt, wie er war, mit Weinkrug, Quiddern und allem bis hin zu der Kette Zwiebeln unter dem Kutschbock. Der Wagen war noch derselbe, doch wirkte er nun irgendwie kleiner und staubiger, die Farbe ein bisschen verblasst. Moril verbrachte viel Zeit damit, zu Olob zu sprechen, der niedergeschlagen in einem Stall nebenan wartete und sich über seine Gesellschaft zu freuen schien. Moril stibitzte Zucker für ihn aus der Küche, was leicht war, weil man dort alle Hände voll zu tun hatte; das Hochzeitsmahl musste vorbereitet werden. Olob fraß höflich den Zucker,

Weitere Kostenlose Bücher