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Jones, Diana Wynne

Jones, Diana Wynne

Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 01 Die Spielleute von Dalemark
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Norden, bis sie an eine Straße gelangte, die nach links abzweigte. Zu Morils Erstaunen bog sie darin ein.
    »He! Wohin fahren wir denn?«, wollte er wissen.
    »Nach Markind«, antwortete Lenina.
    Brid unterbrach ihr Schluchzen. »Was? Doch nicht zu Ganner!«, fuhr sie auf.
    »Jawohl. Zu Ganner«, entgegnete Lenina. »Er sagte, dass er mich und die Meinen aufnehmen würde, sobald ich frei wäre, und ich weiß, dass es ihm ernst damit war.«
    »Aber … aber nein! Das kannst du nicht tun!«, rief Moril. »Doch nicht einfach so!«
    »Warum nicht?«, fragte Lenina. »Was meinst du denn, wovon wir leben sollen ohne einen Barden, der das Geld für uns verdient?«
    »Wir schaffen das schon«, sagte Moril. »Ich kann singen. Dagner kann … Dagner …« Seine Stimme erstarb, als er sich vorstellte, wie Dagner und er versuchten, aufzutreten wie Clennen. Dagner in dieser Rolle – das war unmöglich. Er wusste nicht, was er sagen sollte, ohne Dagners Gefühle zu verletzen, deshalb schwieg er. Doch anscheinend hörte Dagner sowieso nicht zu. »Vater wäre dagegen gewesen, dass wir nach Markind gehen«, behauptete Moril. Wenigstens dessen war er sich völlig sicher.
    »Ich wüsste nicht, wieso dein Vater in dieser Sache noch eine Stimme haben sollte«, erwiderte Lenina trocken. »Denke genau darüber nach, Moril. Ich weiß selber, dass euer Vater ein guter Mann war und der beste Barde in ganz Dalemark, und siebzehn Jahre lang habe ich ihm gegenüber meine Pflicht getan. Das war mein halbes Leben, Moril. Ich bin barfuß gegangen und habe gelernt, zu kochen und zu musizieren. Bei jedem Wetter habe ich in einem Planwagen gelebt und mich nie beschwert. Ich habe genäht und gewaschen und mich um euch alle gekümmert. Euer Vater hat manches getan, womit ich nicht einverstanden war, aber ich habe nie mit ihm gestritten oder mich ihm in den Weg gestellt. In jeder Hinsicht erfüllte ich meine Pflicht, ich habe mir nichts vorzuwerfen. Jetzt aber ist Clennen tot, und ich bin wieder frei und kann tun, was ich will. Und ich folge meinem Geburtsrecht, das auch das eure ist. Habt ihr mich verstanden?«
    »Ich glaub’ schon«, murmelte Moril. So hatte er Lenina noch nie reden hören, doch plötzlich ängstigte und entsetzte ihn die Erkenntnis, dass sie diese Worte schon längere Zeit zurückgehalten hatte, als er Lebensjahre zählte. Er meinte, sie entscheide sich falsch, aber er konnte nicht sagen, wieso eigentlich. Er glaubte, dass sie ein Unrecht beging, aber er fand keine Worte, die er ihr entgegenhalten konnte. Darum tauschte er nur einen ängstlichen, hilflosen Blick mit Brid. Seine Schwester schwieg ebenfalls.
    Kialan war es schließlich, der das Wort ergriff. Er klang peinlich berührt. »Ich habe kein Recht, Einwände zu haben«, sagte er, »aber ich muss einfach nach Hannart, Lenina.«
    »Das weiß ich«, antwortete sie, »und ich habe darüber nachgedacht. Zunächst wirst du dich als mein Sohn ausgeben, und ich werde so schnell als möglich jemanden finden, der dich nach Norden mitnimmt, das verspreche ich dir. Hestefan ist noch im Süden, das weiß ich genau, und Fredlan vielleicht auch.«
    Kialan wirkte aufgebracht und verlegen zugleich. »Aber Ganner muss doch wissen, wie viele Kinder du hast!«
    »Das glaube ich nicht«, sagte Lenina gelassen. »Menschen, die selber keine Kinder haben, machen sich nie die Mühe, die Kinder anderer Leute zu zählen. Wenn er Fragen stellt, sagen wir ihm, du wärst krank gewesen und in Fledden zurückgeblieben.«
    Kialan seufzte. »Na schön. Auf jeden Fall vielen Dank.«
    »Vergesst das nicht«, ermahnte Lenina sie, und Moril fühlte sich plötzlich ganz flau, denn das war einer von Clennens liebsten Aussprüchen. »Kialan ist euer Bruder. Wenn euch jemand fragt, behauptet ihr, er sei krank in Fledden zurückgeblieben.«
    Olob schleppte sich schwerfällig und mit hängendem Kopf nach Markind. Er sieht auch nicht sehr fröhlich aus, dachte Moril. Er fühlte so tiefes Elend, dass er es beinahe als Summen in den Ohren hörte, und obwohl er sich große Mühe gab, konnte er sich nicht in die Traumwelt zurückziehen, in die er so gerne floh. Vielmehr nahm er alles um sich herum mit einer lebhaften, erschreckenden Aufmerksamkeit wahr – einfach alles, von den Blättern der Hecke bis zur Form von Kialans Nase. Diese Adlernase unterschied sich so sehr von Dagners, Brids oder Morils Nase, da musste doch jeder auf einen Blick erkennen, dass sie nicht verwandt waren! Warum sollte er auch unbedingt ein

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