Jones, Diana Wynne
und ihn nach Hannart bringen, wenn ihr könnt. Schaffst du das, Moril?«
»Ich denke schon«, antwortete Moril. »Aber ich glaube, er hat sich verdrückt, als sie dich verhaftet haben.«
»Nein, das hat er nicht«, versicherte ihm Dagner. »Er wird draußen vor Niedertal warten, ganz wie er es gesagt hat.«
»Wenn du meinst… Dagner, warum ist es so wichtig?«
»Frag Kialan«, sagte Dagner, die Augen auf jemanden hinter Moril gerichtet. »Ich habe Mehl und Hafer bestellt«, sagte er; er verstellte sich schlecht. »Ein Freund von Vater hat mir billig eine Speckseite überlassen, und Zwiebeln. Brot bekommt ihr unterwegs.«
»Und Eier brauchen wir noch«, sagte Moril. »Und ich putze deine Quidder, das verspreche ich dir.«
»Das brauchst du nicht – gut, er ist weitergegangen. Zwei Dinge gibt es, die du Kialan unbedingt mitteilen musst. Erstens, dass Henda tatsächlich ein Lösegeld für ihn verlangt hat – «
»Ein Lösegeld für Kialan? Aber er – «
»Ist schon gut. Sag es ihm nur«, unterbrach ihn Dagner. »Das Zweite ist viel wichtiger. Graf Tholian hebt ein Heer aus und – «
»Tholian? Der ist doch tot«, wandte Moril ein, und ihm trat das verwirrende und sehr beunruhigende Bild eines Gespensterheeres vor Augen.
»Der neue Graf. Er heißt auch Tholian. Unterbrich mich nicht ständig. Hinter dir nähert sich jemand«, sagte Dagner. »Es geht darum, dass im Norden niemand davon weiß, und es kommt auch niemand dorthin außer euch und Kialan. Hast du dir beides gut gemerkt?«
»Lösegeld und Tholian«, wiederholte Moril. »Jetzt tritt jemand hinter dich.«
Die Wächter stellten sich gleich hinter Dagner. »Mitkommen. Die Zeit ist um.«
»Aber wir hatten noch längst keine zehn Minuten!«, wandte Moril ein.
»So ein Pech. Der Richter will ihn sehen. Hoch mit dir, Bursche!«
Dagner stand auf und stieg nach hinten über die Bank. Als er davonging, verzog er das Gesicht zu einem, wie Moril fand, kläglichen Lächeln. Moril selbst trollte sich zur Tür und fühlte sich dabei völlig niedergeschmettert. Rasch führte man ihn wieder zum Eingang.
»Kommst du doch wieder raus?«, fragte der Wächter dort. »Glück gehabt.«
Moril hatte kein Lust, ihm zu antworten. Er fühlte sich nicht besonders glücklich, vor allem nicht, als er draußen vor dem Gebäude als Erstes ausgerechnet die herabbaumelnden Füße des Gehenkten erblickte.
Hinter den Füßen sah er Brid auf dem Wagen sitzen. Sie sah hochnäsig und ungeduldig aus. Der Wagen stand noch immer ganz allein, und zu dem Sack Hafer hatte sich eine Anzahl anderer Säcke und Bündel gesellt, die alle zu schwer waren, als dass Brid sie allein anheben konnte.
»Wo bist du so lange gewesen?«, fuhr sie Moril an, kaum dass er nahe genug war. »Ich dachte schon, du kommst überhaupt nicht mehr zurück! Was ist denn los? Du guckst ja drein, als hätte dir jemand die Butter vom Brot gestohlen!«
Moril fühlte sich so eigentümlich und verloren, dass er nichts anderes tun konnte, als zu Olob zu gehen und dem Pferd die Arme um den Hals zu legen. Dann rieb er seine Stirn gegen Olobs Nase.
»Na los, red schon!«, bat Brid. »Hast du Dagner gesehen?«
»Ja«, sagte Moril.
»Hast du ihm ausgerichtet, was ich dir aufgetragen habe?«
»Nein.«
» Warum nicht? Moril, wenn du mir nicht vernünftig erzählst, was passiert ist, dann hau ich dir eine runter!«
»Das kann ich nicht«, sagte Moril. »Nicht hier.«
» Warum nicht?« Brid brüllte fast.
Moril begriff, dass er sie unbedingt davon abhalten musste, die Aufmerksamkeit der Umstehenden zu erregen. »Bitte, Brid. Sei still«, bat er und sah sie dabei so vielsagend an, wie das an Olobs Nase vorbei möglich war. »Lass uns diese Säcke aufladen und weiterfahren.«
Brid ahnte allmählich, dass möglicherweise etwas Schreckliches geschehen war. »Ohne Dagner?«, fragte sie mit gedämpfter Stimme. Moril nickte, riss sich von dem warmen, freundlichen, weichen Olob los und packte den nächsten Sack. Brid stieg vom Wagen und half ihm. »Moril!«, flüsterte sie ärgerlich. »So schlimm kann es doch nicht sein! Du benimmst dich ja, als wollten sie Dagner aufhängen.«
»Genau das wollen sie tun«, entgegnete Moril.
Brid wurde kreidebleich, aber sie glaubte ihm nicht ganz. »Oh nein!«, sagte sie. »Nicht das noch zu allem anderen! Und wieso?«
»Lass uns den Rest aufladen und losfahren. Ich erzähle dir alles unterwegs.«
Nachdem sie den Wagen beladen hatten, lenkte Brid ihn vom Marktplatz. Bald ratterten sie
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