Jones, Diana Wynne
eigentlich für nichts.« Und um sie von der Wilderei ganz abzulenken, fügte er hinzu: »Dagner hat nichts getan, wofür du ihn verhaften könntest, Herr – und unser Freibrief ist in Ordnung, ganz ehrlich.«
Der Richter seufzte unwillig. »Mir geht es nicht um euren Freibrief, Junge. Dein Bruder wurde verhaftet, weil er verbotene Nachrichten weitergegeben – «
» Was?«, rief Moril.
»… und ich möchte wissen, woher er sie hatte«, fuhr der Richter fort. »Das überrascht dich?«
»Das meine ich aber! Nein, das kann er nicht getan haben. Da müsst ihr euch irren.«
»Wir haben unsere Leute überall, und sie sind sehr verlässlich«, sagte der Richter. »Wie kommst du darauf, dass es ein Irrtum ist?«
»Weil Dagner so was nie tun würde. So etwas interessiert ihn nicht. Er interessiert sich nur fürs Komponieren. Außerdem, woher sollte er solche Nachrichten bekommen haben?«, fragte Moril verzweifelt.
»Solche Feststellungen bringen uns nicht weiter«, sagte der Richter. »Meiner Ansicht nach verbergt ihr beiden etwas. Du sagst, ihr wäret zuletzt in Fledden aufgetreten. Das muss eine Woche her sein. Wo seid ihr seitdem gewesen?«
»In Markind«, sagte Moril und fragte sich, warum um alles in der Welt Dagner das nicht erwähnt hatte. »Dann sind wir über Cindow hierher gekommen.«
Der Richter und der Schreiber blickten einander an und wirkten dabei sehr ungläubig. Offenbar glaubten sie, dass Markind wohl der letzte Ort sei, an dem man ungesetzliche Nachrichten erhalten konnte. Moril schöpfte ein wenig Mut. »Warum Markind?«, fuhr der jüngere Mann ihn an.
»Mein Vater wurde ermordet«, erklärte Moril, und seine Stimme zitterte dabei ein wenig.
»Wissen wir. Im Medmere-Tal. Warum seid ihr nach Markind gefahren?«, fragte der Jüngere.
»Meine Mutter wollte Ganner heiraten«, sagte Moril.
»Ganner!«, riefen sie beide aus, und beide blickten sie Moril in völligem Unglauben an. »Ganner ist der Baron von Markind«, sagte der Richter, als glaubte er, Moril wisse es nicht.
»Ja, natürlich«, entgegnete Moril. »Mutter war mit ihm verlobt, aber dann heiratete sie Vater, und jetzt ist sie zu ihm zurückgekehrt.«
»Sehr wahrscheinlich«, versetzte der Richter sarkastisch. »Und warum habt dein Bruder und du sie dann verlassen?«
Tränen der Wut traten in Morils Augen. »Weil ich dort im Haus einen der Männer gesehen habe, die meinen Vater getötet haben, wenn ihr es denn unbedingt wissen wollt! Und wenn du mir nicht glaubst, dann fragt eben Ganner!«
»Das werde ich ganz gewiss«, erwiderte der Richter. Der andere Mann murmelte ihm etwas zu, und sie blickten einander an. Die Falten des Richters zogen sich zu einem dichten gelben Knäuel zusammen. Moril sah ein, dass Brid Recht gehabt hatte, als sie ihm riet, er solle Ganner erwähnen. Aber wie Brid war wohl auch der Richter zu der Überzeugung gelangt, dass Ganner den Mord an Clennen in Auftrag gegeben hatte. Der jüngere Mann hob die Augenbrauen, um Moril zu warnen, dass Ganner viel zu einflussreich sei, als dass man ihn anklagen könne; der Richter erwies sich als weder besonders nett noch besonders gerecht, denn er lachte zynisch auf, grinste und zuckte mit den Schultern. Moril sagte sich, dass er darüber eigentlich froh sein sollte, falls Ganner wirklich, wie Kialan sagte, nichts mit Clennens Ermordung zu tun hatte. Als sich der Richter Moril wieder zuwandte, hatte dieser traurig und auch recht verbittert erkannt, dass für Ganner ein anderes Gesetz galt als für ihn und Dagner. »Hat dein Bruder in Markind mit Fremden gesprochen?«
»Nein«, sagte Moril, »nur mit Ganners Leuten.«
»Mit wem hat er dann zwischen Markind und hier gesprochen?«
»Nur mit uns«, antwortete Moril.
»Hör zu, mein Junge«, sagte der Richter, »du hilfst uns nicht gerade weiter. Vielleicht frischt es dein Gedächtnis auf, wenn ich dich daran erinnere, dass dein Bruder für sein Verbrechen schon bald gehenkt wird. Ich kann dich einsperren, wenn du mir etwas verschweigst.«
Moril wurde schlecht. »Aber ich versuche doch, euch weiterzuhelfen«, entgegnete er. »Ich habe gesagt, dass du einen Fehler begehst. Aber wenn ihr mir nur dann glaubt, wenn ich euch sage, dass Dagner schuldig ist, dann hat es keinen Sinn, mir Fragen zu stellen. Denn er hat nichts getan!«
Der jüngere Mann erhob sich halb. Er wirkte zornig. Moril blinzelte und wartete darauf, dass sie ihn prügelten oder in den Kerker sperrten, vielleicht auch beides. Aber sie taten nichts davon. Der
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