Jones, Diana Wynne
gehört, das wir gesagt haben – stimmt’s, Moril?«
»Wahrscheinlich schon«, antwortete Moril leicht erstaunt.
»Darf ich jetzt mal den Wagen lenken?«, fragte Kialan.
Weder Brid noch Moril hatten etwas dagegen. Wie sollten sie Kialan besser zeigen, dass er ganz zu ihrer Gemeinschaft gehörte und nicht mehr nur ein Reisebegleiter war, als dadurch, dass sie ihm gestatteten, Olobs Zügel zu nehmen? Zufrieden ließ Kialan Olob durch das einsame Hochland zockeln. Moril saß neben dem Grafensohn, klimperte auf der Quidder und blickte träumerisch auf die Berge, die Schafherden und die vereinzelten Hirten.
Endlich erreichten sie den steilen Anstieg zum dritten und letzten Hochland. Diese Steigung war die längste und auch die schönste der drei Gebirgsstufen, denn sie verlief in ganzer Länge durch einen Wald. Die Straße verkümmerte darin, obwohl sie eine Hauptstraße war, zu einem durchfurchten, feuchten und steinigen Karrenweg, der sich durch das Gehölz bergauf wand. Durch die hellen Frühlingsblätter hindurch malte das Sonnenlicht leuchtende Tupfer auf den Weg. Die drei blickten nach oben und grinsten beim Anblick der grünen Sprenkeln auf ihren Gesichtern.
Olob aber wurde immer bockiger, ohne dass sie sagen konnten, ob es nun daran lag, dass er zwei steile Steigungen an einem Tag erklimmen sollte oder weil es ihm nicht passte, dass Kialan die Zügel hielt. Zuerst warf er nur den Kopf herum und blieb immer wieder stehen. Kialan überredete ihn dann zwar weiterzugehen, aber jedes Mal kostete es ihn mehr Mühe. Je höher es ging, desto öfter brach Olob zudem nach links und rechts aus, und die Wagenräder verfingen sich in den Hagedornbüschen am Straßenrand. Kialan wurde immer grimmiger. Als Olob zum vierten Mal ausscheren wollte, verlor er die Beherrschung und beschimpfte ihn. Prompt bog Olob nach rechts von der Straße ab. Lieber als die Straße zu erklimmen, schien er die steile Böschung hinauf in die Wälder laufen zu wollen. Moril fürchtete schon, der Wagen würde zur Seite kippen. Der Weinkrug stürzte tatsächlich um und riss Brid mit sich. Die Quiddern dröhnten entsetzlich.
»Lass mich«, sagte Moril.
Kialan reichte ihm erbost die Zügel. Moril legte sich die Quidder auf die Knie und bewegte Olob mit beiden Händen und einigen Rufen dazu, zur Straße zurückzukehren. Dort aber weigerte er sich, aus den Büschen herauszutreten.
»Was ist nur in ihn gefahren?«, fragte Kialan.
»Ich weiß es nicht«, sagte Moril, doch noch während er sprach, fielen ihm zwei Dinge ein. Er hatte mit Lenina ein ähnliches Gespräch geführt, kurz bevor Tholian aus dem Wald gekommen war und Clennen ermordet hatte. Und kurz bevor Dagner in Niedertal verhaftet wurde, hatte sich Olob ebenfalls wie ein übellauniges Fohlen benommen. »Schnell!«, sagte er zu Kialan. »Es sind Feinde in der Nähe, und Olob wittert sie. Steig aus und schlag dich durch die Wälder, bis wir an ihnen vorbei sind.«
»Wie kann er sie wittern?«, fragte Kialan. Er sah verdrossener aus denn je.
»Das weiß ich nicht, aber er wittert sie eben. Vater hat immer gesagt, er würde Olob nicht einmal gegen eine Grafschaft eintauschen, und ich glaube, das war der Grund dafür. Jetzt runter mit dir vom Wagen!«, drängte Moril ihn.
»Tu schon, was er sagt, Kialan!«, rief Brid. Sie lag noch immer auf dem geneigten Wagenboden.
In keiner Weise überzeugt schwang sich Kialan vom Wagen. Olob hatte an der Böschung rechts neben der Straße eine kurze Schneise in die Büsche getrampelt. Kialan folgte ihr grollend und verschwand weiter oben zwischen den Bäumen. Moril hörte, wie er den steilen Hang hinaufstapfte und dabei im Unterholz raschelte.
»Beweg dich leise!«, rief er ihm nach, doch Kialan beachtete ihn nicht. Moril legte die Quidder in den schiefstehenden Wagen und ging zu Olob. Er nahm ihn beim Zaum. Olob widerstrebte es zutiefst, das Gebüsch wieder zu verlassen. »Ich weiß, alter Junge, aber wir müssen weiter und dabei unschuldig ausschauen«, sagte Moril. »Na komm schon! «
Es dauerte eine Weile, Olob auf die Straße zurückzulocken. Als er sich endlich in Bewegung setzte, musste sich Brid gegen die Seitenwand stemmen, sonst wäre ihr Gefährt doch noch umgekippt. Kaum rollte der Wagen wieder auf der Straße, kletterte sie hinauf und begann, rasch den Weinkrug und die Musikinstrumente an ihren Platz zu räumen. Olob folgte der Straße nur widerstrebend aufwärts. Im Wald über ihnen hielt Kialan mit dem Wagen Schritt. Sie hörten
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