Jones, Diana Wynne
herausgenommen.«
»Sei beruhigt«, entgegnete Brid. »Das habe ich getan. Ich habe es in den Kasten unter dem Kutschbock gelegt.«
Alles lachte. Ungehalten wollte Brid wissen, was man von ihr halte – ob man wirklich glaube, sie würde eine solche Summe in einem Weinkrug lassen.
»Aber ich wünschte, ich wüsste, wem es gehört hat und woher Vater es hatte«, sagte sie.
»Ich nehme an«, sagte Keril, »dass es der Rest der Summe ist, die ich ihm für seine Auslagen gegeben habe. Jedes Jahr gab ich ihm in Wassersturz hundert Goldstücke. – Nein«, sagte er, als Brid anbot, es ihm zurückzuerstatten, »behaltet es. Ihr habt es verdient. So habt ihr wenigstens Geld in der Tasche, wenn ihr in Hannart lebt.«
So erfuhren sie, dass Keril sie tatsächlich in Hannart bei sich aufnehmen wollte.
»Das ist furchtbar nett von dir«, sagte Brid unbeholfen. »Denn ich wüsste sonst gar nicht, was wir tun sollten, oder, Moril?«
»Das ist das Mindeste, was ich für euch tun kann«, sagte Keril. »Ich stehe tief in Clennens Schuld. Ohne ihn hätten wir nichts Wissenswertes über den Süden erfahren.« Dann erzählte er ihnen manches über Clennen, was sie nicht gewusst hatten. Keril hatte Clennen im Süden kennen gelernt, als er selbst noch der Adon war, und beide hatten sie bei der Vorbereitung des letzten Aufstands mitgearbeitet. Doch dann starb Kerils Vater, und Keril musste zurück in den Norden. Clennen blieb im Süden und begegnete kurze Zeit später Lenina. Nachdem der Aufstand gescheitert war, fand Clennen, dass der Süden ein zu heißes Pflaster geworden war, zumal nun auch der alte Graf Tholian es auf ihn abgesehen hatte. Er zog nach Hannart und wurde dort Hofbarde. Im Lauf der Jahre kamen Dagner, Brid und Moril zur Welt. Berichte über die Zustände im Süden brachten Clennen dazu, dorthin zurückzukehren und zu helfen. Der Pförtner war sein Einfall gewesen, aber Keril hatte vorgeschlagen, ein Zerwürfnis zu inszenieren, damit niemand Clennen der Spionage für Hannart verdächtigte.
Moril starrte in das Feuer, vor dem er saß, und träumte von seiner Geburtsstadt.
»Was ist, Moril?«, fragte Kialan scherzhaft. »Werden deine Träume wahr?«
Moril blickte auf und grinste. Er antwortete nichts, aber beim Einschlafen war er sicher, dass Kialan ihm soeben gesagt hatte, wie die Quidder wirklich wirkte.
Er dachte viel daran, während er am nächsten Tag im Wagen saß. Zuerst kam es ihm als Erinnerung. In Creding hatte es geregnet, deshalb erzählte Clennen eine der Legenden um den Adon drinnen im Lagerhaus, und als Moril aufblickte, sah er Kialan unter den Zuhörern. Er war darüber verärgert, weil Kialan für ihn zum unangenehmen Alltag gehörte, und er hatte sich gefühlt, als stünde er mit den Füßen in verschiedenen Welten, die auseinander trieben. Und doch war Kialan die ganze Zeit der Adon – oder ein Adon. Und auf der Quidder stand: Ich wandle in mehr als einer Welt.
Dann begann es zu regnen, wenn auch nicht so heftig wie in Creding. Moril lächelte und streckte den Tropfen das Gesicht entgegen. Sie hatten den Norden fast erreicht, und dort regnete es oft. Sein Lächeln wurde etwas wehmütig, als ihm klar wurde, dass er in keinem seiner Träume von Hannart oder den verschwommenen Bildern vom Wagen auf den Grünen Straßen je an Regen gedacht hatte. Bei einem dieser Träume hatte die Quidder einen dumpfen Ton von sich gegeben. Ja, das war es: Dieser Traum war nicht wahr gewesen. Es gab zwar wahre Träume, aber sie mussten ebenso Teil des Lebens sein, wie das Leben, um ein gutes Leben zu sein, Träume einschließen musste. Und einem guten Lied musste eine gute Idee zugrunde liegen. Das Lied vom Adon, das Kialan gesungen hatte, sprach von dieser Notwendigkeit. Osfamerons Lied aber ging noch einen Schritt weiter und erzählte von den anderen Welten, in denen die Quidder wandelte.
Moril dachte daran, wie sich Leben und Traum auf dieser Reise zwangsläufig für ihn zusammengefügt hatten. Am natürlichsten fanden sie sich in ihm, wenn er meilenweit fort in Nachdenken versunken war und zugleich die Soldaten im Tal zählen konnte oder jede einzelne Buche zu beschreiben wusste, unter der sie hergefahren waren. Clennen hatte die Quidder gar nicht richtig begriffen. Morils Vater war zu praktisch veranlagt, um ihr Geheimnis zu erkennen: Dass Moril in zwei Hälften gespalten war, war von äußerster Wichtigkeit. Wenn er die Wahrheit in beiden Hälften erkannte, vermochte er die Quidder zu benutzen, wie Osfameron
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