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Jones, Diana Wynne

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Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 04 Die Krone von Dalemark
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einem tiefen Fluss, der langsam zum fernen Meer strömt, dieser Geruch war wieder da, deutlicher nun und kräftiger. Das Geflimmer hatte Gestalt angenommen und einen riesigen, gold-grünen Schatten gebildet, der ein ähnliches Profil zeigte wie Ynen oder Hern. Für Mitt und auch nicht für die anderen bestand der leiseste Zweifel, dass hinter ihnen ein höheres Wesen stand und diesen Schatten warf, doch es überstieg ihre Kräfte, sich umzudrehen und es anzusehen.
    Als der Eine sprach, erscholl seine Stimme darum hinter ihnen. »Hern ist schon vor langem dem Strom hinab in die See gefolgt.«
    Mitt entspannte sich. Ynen seufzte erleichtert, und Maewen fragte sich, wie irgendjemand Kankredins Stimme für die des Einen halten konnte. Diese Stimme war, als spreche das ganze Land; sie trug das Geräusch von Felsen mit sich, die zur Ruhe kommen, den Biss des Wassers im Granit, das langsame Verschieben der Erde, das Wehen des Windes, und sie schnarrte ihnen genauso in den Ohren wie die tiefste Saite von Morils Quidder.
    »Es ist nicht leicht für meine sterblichen Kinder«, sagte der Eine, »von Angesicht zu Angesicht mit mir zu sprechen.«
    Das war nur zu wahr. Alle hätten sich nur zu gern umgedreht und den Einen angesehen, und alle wussten, dass es einfach unmöglich war.
    »Bezeugt es, ihr alle«, sagte der Eine. »Ihr habt einen neuen König.«
    Niemand wusste genau, was nun erwartet wurde, bis Moril sie anleitete und sie im holprigen Chor sprachen: »Wir bezeugen, wir haben einen neuen König.«
    »Ich danke euch«, sagte der Eine.
    Der flackernde Schatten neigte den Kopf. Es war, als beuge der Eine sich vor und wolle mit jedem von ihnen ein Wort unter vier Augen sprechen, aber mit jedem gleichzeitig. Maewen hörte die gewaltige Stimme an ihrem Ohr, und sie sagte: »Ich kann dir nicht versprechen, worum du gebeten hast. Zu viel Unwägbares liegt dazwischen. Es tut mir Leid.«
    Zu Mitt sprach der Eine: »Dir ist der Name Amil angeboten worden, und so heiße ich. Bevor du zwischen diesem Namen und deinem eigenen wählst, sollst du wissen, dass ich geschworen habe, Kankredin von meinem Land auszumerzen. Wenn du meinen Namen annimmst, so ist das auch deine Pflicht. Für welchen Namen entscheidest du dich?«
    Mitt war sich bewusst, dass er wirklich wählen durfte, auch wenn Maewen ihm verraten hatte, wie er sich entscheiden würde. Mitt erwog alles. Alhammitt war ein guter Name, nur dass die Hälfte aller Männer im Süden so hießen. Amil hingegen war ein Name, den niemand trug, doch er brachte die Bürde des Einen mit sich. Nun, Mitt hatte sein ganzes Leben lang Bürden getragen. Das Königtum war nur eine Last mehr, und bei dem, was er schon mit sich herumschleppte, bedeutete eine keinen Unterschied mehr. »Ich wähle Amil«, sagte er.
    Dann wandte er sich um wie jemand, der gerade aufwacht, und fragte sich, was der Eine wohl zu den anderen gesagt haben mochte. Der wogende Schatten war verschwunden, und mit ihm der Großteil des goldenen Nebels. Er sah, dass sie unter freiem Himmel in einem rechteckigen Graben standen, dessen Wände aus großen gelblichen Steinen ihm nur noch zur Hüfte reichten. Neben ihm stand Maewen und kämpfte tapfer mit den Tränen. Moril sah ähnlich aus. Ynen und Kialan hingegen wirkten glücklich, wenngleich gelähmt.
    »Ich glaube, wir müssen durch den Stein zurückklettern«, sagte Mitt.
     

21.
    Als sie sich umdrehten, fanden sie drei Steinstufen in der Farbe von Haferkuchen vor, die zu einer grüngoldenen Landschaft aus Buckeln und kleinen Hügeln hinaufführten. Wäre es nicht so still gewesen, und hätte nicht unweit von ihnen der Nebel begonnen, so hätten sie geglaubt, sie wären schon wieder im Karnsburg außerhalb des Wegsteins.
    Durch eine Rinne im gold-grünen Rasen ging es leicht bergauf. Die Buckel, unter denen Herns Palast lag, blieben winzig hinter ihnen zurück. So sind Ruinen eben, dachte Maewen. Alle Gebäude, sogar Paläste scheinen viel mehr Platz einzunehmen, als sie es wirklich tun.
    Zuerst waren sie alle sehr still und sehr ernst. Immer wieder warfen sie Mitt Blicke zu, der in ihrer Mitte ging, während vor seinem Haar die Krone orangegolden glänzte. Er wirkte größer. Niemand wusste, was er sagen sollte. Schließlich beschloss Maewen, dass jemand das Schweigen brechen musste.
    »Sollen wir dich jetzt Majestät nennen?«, fragte sie.
    »Lodernder Ammet!«, rief Mitt. »Wag das bloß nicht!« Er nahm ihre Hand. »Keiner von euch soll mich anders behandeln als

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