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Jones, Diana Wynne

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Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 04 Die Krone von Dalemark
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legte alle Finger unter die tiefste Seite und zupfte verzweifelt. Die Quidder reagierte mit einem tiefen, blechernen Twäng, als hätte Moril einen Gong geschlagen.
    Das Tier vor Maewen wich seitwärts zurück. Obwohl es wie ein echtes Pferd erschien, verhielt es sich genau wie Rauch und wurde von der Luft rasch in braune Fähnchen zerteilt. An seiner Stelle stand der Schemen eines Mannes. Er war zwölf Fuß groß oder noch höher, wie eine Glocke gebaut und steckte in einem langen Gewand. Er hatte sich vorgebeugt und funkelte Maewen mit menschlichen Augen an, die unter dicken Lidern hervorloderten. Er war hohl. Maewen sah die Leere in seiner Mitte, und aus einem Grund, den sie nicht genau benennen konnte, war das das Schlimmste an ihm. Darauf bin ich geritten!, entsetzte sie sich.
    Kankredin schien es nicht zu stören, dass Maewen ihn nun in seiner wahren Gestalt erkannte. Er schmetterte: »Ich bin der Eine! Tu, was ich dich heiße!«
    Mitt wollte aufstehen. Die geisterhaften Augen unter den wulstigen Lidern bemerkten die Bewegung. Die undeutliche Hand im leeren Ärmel vollführte eine knappe Geste, als Maewen sagte: »Nein, du bist nicht der Eine. Und du hast mich von Anfang an keinen Augenblick lang getäuscht.« Sie bebte am ganzen Leib, aber sie war froh festzustellen, dass sie sich wenigstens in dieser Hinsicht als tapfer erwies.
    Die drohende Gestalt beugte sich zu ihr nieder. Die Matten aus verfilztem Haar zu beiden Seiten des Gesichts fielen nach vorn, und die riesigen, verschwommenen Hände näherten sich Maewen. Mitt stellte fest, dass er seine Beine nicht bewegen konnte. Moril stand stocksteif neben ihm, und seine Hände schienen in verkrümmter Haltung an der Quidder festzukleben. Doch Mitt brauchte nicht laufen zu können. Er holte tief Luft und brüllte:
    »YNYNEN!«
    Und dann bewegte er sich doch, obwohl er sich nicht bewegen konnte, und schoss vor wie ein Rennläufer. Irgendwie überwand er den Abstand zwischen Maewen und sich gerade rechtzeitig, warf sie zu Boden und legte sich schützend über sie, bevor Ammet auf seinen Ruf antwortete.
    Ein heulender Wind kam auf, der voller Spreu war. Zuerst von der Seite, dann von überall her prasselten Weizenkörner auf sie ein, die ihnen in die Haut stachen. Sie krümmten sich zusammen. Aber trotzdem, trotz der Körner, die sie bombardierten wie Hagel, trotz des peitschenden Strohs und des Streustaubs, der ihnen in die Augen drang und die Sicht raubte, trotz allem beugten Maewen und Mitt den Hals und hielten nach dem Gespenst Kankredins Ausschau. Der weizengesättigte Wind hatte die Form einer riesigen, wirbelnden Trompete angenommen und schleuderte das Schemen wild im Kreis herum.
    Als sie hinschauten, war es schon beinahe vorüber. Der Schemen raffte seine Fetzen zusammen und zog sich zurück, indem er zerging. Die Trompete löste sich ebenfalls auf und wehte über das grüne Land davon; Spreu und Korn trug der Wind mit sich fort.
    »Habt ihr ihn erwischt?«, fragte Maewen.
    »Ich bin mir nicht sicher.« Mitt erhob sich auf die Knie. Von Kankredin gab es keine Spur mehr. Der Gongschlag, den Moril der Quidder entlockt hatte, hing noch in der Luft und klang nach. Wenn Kankredin in der Nähe gewesen wäre, hätte er sichtbar sein müssen. »Ich hatte das Gefühl, dass Ammet nur einen Teil von ihm gefangen hat«, sagte Mitt bedauernd, »aber ich denke, er ist fort.«
    Maewen rappelte sich auf. Das Verbandszeug hielt sie noch in der Hand. Die Krone war neben sie gefallen. Sie hob den Reif auf, breit, orange und schwer wie er war, und er hinterließ einen einfachen, ovalen Abdruck in dem Korn, von dem das Gras bedeckt wurde. »Ich wusste doch, dass irgendetwas an dem Pferd merkwürdig war«, sagte sie, während sie zum Wegstein zurückgingen. Noch immer prasselte Korn herab, und Spreu trieb in der Luft.
    Moril sah auf, als sie kamen. Mitt nickte. Moril legte eine Hand auf die dröhnende Saite, um ihr Tönen zu beenden, dann wackelte er mit allen Fingern, als hätte Kankredin sie ihm verkrampft. Hinter Moril hatte sich Kialan mittlerweile Ynens Gürtel um den Arm gelegt, um die Blutung zu stillen. Er hielt ihn fest zugeschnürt, damit Ynen beide Hände frei hatte und von ihren Hemden Streifen abreißen konnte. Damit verband er die Stelle, wo der Steinsplitter gesteckt hatte.
    »Was für eine Schande«, sagte Kialan. »Zwei gute Hemden dahin.« Seine Gesichtsfarbe wirkte schon wieder gesünder. Er blickte Mitt an. »Was ist mit der Krone passiert?«
    Maewen

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