Jones, Diana Wynne
sage dir, ich bin fast den ganzen Weg hierher mit ihr geritten, und sie ist nicht verrückter als ich!«
»Sitz still«, sagte Navis. »Du verschüttest den Essig überallhin.« Er zog einen Stuhl heran und setzte sich vor Mitt und seine Schüssel. »Sag es mir ganz genau: Wer verlangt das von dir?«
»Die Gräfin und Graf Keril«, antwortete Mitt. »Das nenne ich von der Vergangenheit eingeholt werden! Sie wissen alles über mich.«
»Keril«, sagte Navis. »Keril. Mitt, du bist nicht der Einzige, den seine Vergangenheit eingeholt hat. Ich habe einmal sehr viel riskiert, indem ich Keril eine Nachricht sandte, dass seine Söhne in Holand als Gefangene gehalten wurden. Das muss er als Drohung aufgefasst haben. Was hat er gesagt?«
Mitt lehnte sich zurück und berichtete Navis die gesamte Geschichte und auch von seinem Ritt mit Noreth. Er ließ nur aus, wie er den Aden für einen mächtigen Strom gehalten hatte, denn er war sich gar nicht mehr sicher, ob er selbst noch daran glaubte. Während er sprach, stellte er fest, dass ihm ein wenig zum Weinen zumute war, aber nicht wegen dem, was er berichtete, sondern weil Navis ihm ruhig zuhörte und ihn nicht wie den Abschaum der Menschheit behandelte.
»Diese Statue…«, sann Navis. »Da warst du ein wenig zu großzügig. Kannst du sie überzeugen, dir deine Hälfte zu überlassen?«
»Sie entzwei hacken? Wieso das?«, fragte Mitt.
»Wenn sie wirklich aus purem Gold ist, dann hängen wir beide nicht mehr von der Großzügigkeit der Adligen ab. Wir könnten noch heute Abend gehen. Mitt, mir gefällt unsere Lage nicht im Geringsten. Hier in Adenmund hört man sehr viel über Noreth. Die Menschen lieben sie sehr. Wenn ihr irgendetwas zustößt, geht ein Schrei der Entrüstung durch alle Küstentäler bis hinunter nach Königshafen. Du bist offensichtlich ein Südländer, dennoch hetzen sie dich ihr in voller Aberather Montur auf den Hals. Was für ein Spiel treiben sie? Jeder wird wissen, dass Aberath die Hand im Spiel hatte, ganz gleich, wie schurkisch sie dich hinterher darstellen.«
»Ich werde sie nicht töten«, sagte Mitt. »Ich kann ihr nichts antun. Das ist mein letztes Wort. Aber was sollen wir unternehmen?«
»Wir verlassen die Stadt, sobald mir ein Vorwand eingefallen ist, und wenn möglich mit deinem Anteil am Gold in der Tasche. Wir suchen Ynen, wir holen Hildrida von der Akademie und hoffen, dass wir beide finden, bevor Keril etwas merkt.« Navis seufzte. »Dann verstecken wir uns. Bleib deshalb noch sitzen. Du musst gut reiten können.«
Mitt saß noch eine ganze Stunde in der Schüssel. Währenddessen wurde es dunkler in dem großen getäfelten Zimmer, und Regentropfen zeichneten ein Muster auf das hohe Fenster. Frau Eltruda rief lautstark nach Navis, er solle dafür sorgen, dass über dem Hof Planen aufgespannt würden. Navis eilte davon. Als er zurückkam, erhielt er den Auftrag, Kerzen aufstellen zu lassen. Nachdem er diesen Gang erledigt hatte, waren die Wolken vorübergezogen, und rotgoldenes Sonnenlicht fiel in den Raum. Frau Eltruda bellte, dass es doch schön bleiben werde, und Navis eilte davon, um sich um das Einrollen der Planen zu kümmern. Mitt begriff, weshalb Navis bei Baron Stair solch einen guten Stand hatte. Ab und zu kam den Leuten hier im Norden ein wenig südländische Tüchtigkeit wohl gerade recht. Grinsend sah er zu, wie Navis zurückkehrte und sich mit ähnlicher Zielstrebigkeit für das Fest umzog. Unter der blau-grünen Adenmunder Montur trug er ein weißes Rüschenhemd. Wenn man ihm zusah, hätte man nicht gedacht, dass Navis bis auf die letzten Monate sein ganzes Leben lang von einem Leibdiener angekleidet worden war.
»Du kannst jetzt herauskommen und dich waschen«, sagte er.
Mitt gehorchte. Er war überhaupt nicht mehr wund, nicht einmal mehr empfindlich. Seine Haut fühlte sich vielmehr so glatt und ledrig an wie seine lederbraun-goldene Aberather Montur. »Du hast mich eingelegt wie eine Gurke!«, rief er.
»Darum ging’s ja.«
Sie gingen hinunter in den Saal, in dem es nach Essen roch und der voller Gäste war, die im Stehen darauf warteten, dass Baron Stair erschien und das Fest eröffnete. Die großen Türen standen offen, und ein kühler Wind blies herein. Vom Hof kam großer Lärm, denn dort saßen die Einwohner von Adenmund an den Tischen und überbrückten das Warten auf das Essen, indem sie dem Bier zusprachen. Zwischen den vielen Fremden fühlte sich Mitt ein wenig verloren.
»Ach, da bist du ja,
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