Jones, Diana Wynne
»Hör zu«, rief Mitt zu Moril hoch. »Ich will dir meine Lebensgeschichte erzählen, wenn du dich dann besser fühlst. Ich weiß, dass du uns Südländer hasst – ich habe gehört, was du zu Noreth gesagt hast –, aber ich schwöre bei Ammet, dass du keinen Grund hast, mich zu hassen!«
Moril ließ sich auf Hände und Knie nieder und beugte sich über die Kante, um ihn anzusehen. In Mitt regte sich die Hoffnung, dass Moril ihm helfen würde, auf den Felsen zu klettern, bis der Bardenjunge sagte: »Ja, ich wusste, dass du zuhörst. Ich habe versucht, dich wütend zu machen.«
Mitt brüllte vor Verärgerung auf. »Lodernder Ammet! Was stimmt eigentlich nicht mit dir? Ich glaube, dein Verstand ist völlig durcheinander! Du benimmst dich, als hätte es die ganze Welt nur auf dich abgesehen!«
Damit traf er Moril ins Mark. Er zuckte zusammen und starrte ihn verletzt für die Dauer eines Atemzugs an, dann wurde er wieder ruhig. »Und du bist eifersüchtig«, entgegnete er. »Ich wollte dich eifersüchtig machen.«
Eifersüchtig? Das Wort schien Mitt alle Wärme zu entziehen. Am ganzen Leib war ihm plötzlich so kalt wie das Wasser ringsum, doch im nächsten Moment kam die Wärme gleich zehnfach zurück. Er spürte, dass sein Gesicht über dem schäumenden Wasser rings um sein Kinn brannte. Fast war er erstaunt, dass diese nasse Halskrause nicht zu kochen begann. Er versuchte sich zu versichern, er wisse wirklich nicht, weshalb ein einziges Wort ihn derart aus der Fassung bringe, aber wenn er Moril mit einem Wort so betroffen machen konnte, warum sollte es dann nicht auch umgekehrt klappen? Morils Verstand ging wirklich durcheinander. Und Mitt hatte tausend Hinweise auf seinen eigenen Zustand: Riths fröhliches, sommersprossiges Gesicht und männliche Redeweise und Noreth erst als junge Dame im modischen Kleid, die sich so nervös fragte, was sie denn tun sollte, dann als Mädchen, das sie alle auf der Straße zusammenzuhalten versuchte. Kaum führte er sich diese Hinweise vor Augen, als Mitt in Morils verkrampftem, grünlichem Gesicht erkannte, dass Moril zum Teil aus dem gleichen Grund so durcheinander war: Er sah dort dieselben Anzeichen. Sie waren beide unglücklich gewesen. Sie hatten beide der jungen Dame zu Füßen gelegen. Wir beide!, dachte Mitt bitter. Wie verdammt dämlich!
»Also gut!«, brüllte er zu Moril hoch. »Dann bin ich eben eifersüchtig. Du aber auch! Eine Schwärmerei, so nennt man das. Und das bringt uns beide nicht einen Schritt weiter!«
Eine rosa Welle lief durch Morils Gesicht. Er blinzelte. »Ich… war nicht nur deswegen wütend«, sagte er.
»Ich auch nicht!«, brüllte Mitt zurück. »Lass mich hoch, und wir bereinigen die Sache endgültig.«
Zu Mitts großer Erleichterung reichte Moril ihm endlich die schmale, feuchte Hand, um ihm herauszuhelfen. Mitt packte sie und zog sich daran hoch. Mit der anderen Hand glitt und rutschte er über den Fels, bis er an eine Stelle kam, an der er sich festklammern konnte. Seine Kleidung schien den ganzen Fluss aufgesogen zu haben. Triefend und keuchend warf sich Mitt auf die Oberseite des Felsbrockens, und Moril kauerte sich eilig vor seiner Quidder zusammen.
»Mach sie bloß nicht nass!«
Eine vernünftige Bitte – war die Quidder verdorben, saßen sie hier endgültig fest. Mitt stellte sich an den Rand des Felsens und ließ dort das Wasser von sich ablaufen und heruntertröpfeln, wo es keinen Schaden anrichtete. Ihm war eiskalt, doch fühlte sich die Luft zu seiner Überraschung warm an. Er sah, dass er zu dampfen begann, und fragte: »Also? Was hast du?«
Moril senkte den Kopf und fummelte an einigen Kieseln herum, die in einem Riss des Felsblocks saßen. »Ich… Es ist nicht so, dass ich glauben würde, die ganze Welt hätte es auf mich abgesehen. Ich weiß aber, dass ich im ganzen Süden verhasst bin. Ich … habe letztes Jahr sehr viele Südländer getötet.«
»Was? Mit der Quidder?«, fragte Mitt.
Moril nickte. »Als sie versuchten, in den Norden einzufallen. Sie kann Berge versetzen. Ich habe den Flinnpass geschlossen.«
»Damit hast du Noreth einen Gefallen getan«, sagte Mitt. »Im Voraus sozusagen. Nun können sie nicht zu ihr, bevor sie bereit ist, und nach allem, was ich höre, kann sie jederzeit, wann immer sie will, auf den Pfaden der Schafe zu ihnen gelangen.«
Er blickte auf Morils nassen, braunen Kopf und empfand fast so etwas wie Sympathie, bis der Bardenjunge sagte: »Du verstehst nicht. Ich wage mich nicht in die
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