Jones, Diana Wynne
Mitt diese eigenartigen Veränderungen beobachtete, fürchtete er sich mehr als in jedem erdenklichen Albtraum. Mit jedem Schritt, den der Alte Ammet vortrat, überkam Mitt eine neue Welle der Angst, bis er solche Furcht hatte wie in Holand, als er vorgab, Murmeln zu spielen – bis hin zu dem Augenblick, in dem der Alte Ammet das Wort an ihn richtete. Dann erschien alles plötzlich völlig natürlich.
»Ich musste unbedingt mit dir sprechen, Alhammitt«, sagte der Alte Ammet. Seine Stimme ließ Mitt an Siriol denken, obwohl sie ganz und gar anders klang. »Ich habe dir eine Frage zu stellen.«
»Du hättest mich doch jederzeit ansprechen können«, entgegnete Mitt, der einen leichten Groll empfand. »Warum muss es ausgerechnet jetzt sein, wo ich zerschmettert am Boden liege?«
Das junge Gesicht des Alten Ammet lachte, und sein altes Gesicht antwortete. »Weil bislang kein Zweifel darüber bestand, was du als Nächstes tun würdest.«
»Ich möchte nur von hier fort und nach Norden«, sagte Mitt. »Was ist daran zweifelhaft?«
»Nichts«, pflichtete der Alte Ammet ihm mit seinem ernsten alten Gesicht bei. »Die Menschen von den Inseln werden dir helfen, nach Norden zu fliehen.« Dann blitzte es jung und froh und eifrig auf in seinem Gesicht, und er sagte: »Und es steht auch recht sicher fest, dass zu zurückkommen wirst.«
»Woher weißt du das?«, fragte Mitt. Er wusste, dass der Alte Ammet Recht hatte. Er musste einfach auf die Heiligen Inseln zurückkehren. »Wann komme ich denn zurück?«
»Das musst du selbst entscheiden«, sagte der Alte Ammet, jung und alt zugleich. »Und es steht geschrieben, dass wir diese Inseln in deine Hände geben, sobald du zurückkehrst. Meine Frage an dich lautet: Nimmst du sie dann als Freund oder als Feind?«
»Als dein Feind, meinst du?«, vergewisserte sich Mitt. Die Frage verwirrte ihn zutiefst.
Erneut lachte das junge Gesicht des Alten Ammet. »Wir sind nicht der Stoff, aus dem man Feinde oder Freunde macht, Alhammitt. Also frage ich so: Kommst du dann als Eroberer oder in Frieden?«
»Woher soll ich das wissen?«, entgegnete Mitt. »Was soll das eigentlich, dass du herkommst und mir solche Fragen stellst? Dass du mich einfach so herumschubst? Ich glaube, ihr schubst mich schon die ganze Zeit herum, du und Libby Bier, und ich mag es gar nicht, wenn die Leute mich herumschubsen!«
»Niemand hat dich herumgeschubst«, sagte der Alte Ammet. Nun sah er so alt aus wie die Inseln. »Du wählst deinen Weg selbst, und wir halfen dir, wie es uns bestimmt ist. Wir werden dir wieder helfen. Ich muss nur von dir wissen, welche Art Hilfe wir dir leisten sollen in den Tagen, die da kommen werden.« Und als hätte Mitt ihm die Antwort bereits gegeben, drehte sich der Alte Ammet um und ging zu seinem Pferd. Das Sonnenlicht fiel auf das Weizengelb seiner Kleider und seiner Haare und schien darin zu verschmelzen.
»He, warte!«, rief Mitt. Er war sehr wütend auf den Alten Ammet und sehr enttäuscht. Irgendwie hatte er mehr von ihm erwartet. »Also, was soll ich denn sagen? Vielleicht kannst du mir dabei ein wenig helfen!«, rief er und eilte der schwindenden, nebelhaften Gestalt hinterher. Der Alte Ammet drehte sich um und verwandelte sich wieder zu einem jungen Mann. Mitt konnte keinen Schritt weitergehen. »Willst du die Heiligen Inseln nicht lieber jemand anderem geben?«, fragte er. »Ich habe sie nicht verdient.«
Der Alte Ammet schüttelte sein wehendes Haar und lächelte bedauernd. »Ich bin niemandes Richter.«
»Aber du könntest es sein«, entgegnete Mitt.
»Was nützte das?«, fragte der Alte Ammet. »Wie lautet deine Antwort?«
Mitt stellte erleichtert fest, dass er des Alten Ammets Frage noch immer nicht beantwortet hatte. Er dachte darüber nach. Im ersten Moment hätte er den Alten Ammet am liebsten gebeten, in einer Stunde oder so noch mal wiederzukommen, damit er Zeit hatte, allein und in Ruhe nachzudenken. Doch der Alte Ammet blieb vor ihm stehen, grau und geduldig neben dem hohen grauen Ross, und das Pferd graste auf dem kühlen grünen Rasen, während helle Wassertropfen gelinde aus seiner Mähne fielen, als hätten sie beide alle Zeit der Welt.
»Ich kann nur schlecht denken, ohne zu reden«, sagte Mitt. »Da bin ich wie Al. Wir reden beide gern.«
»Warum redest du dann nicht?«, meinte der Alte Ammet.
Doch Mitt fiel plötzlich ein, dass es in ihm steckte, noch schlimmer zu werden als Al, und das verschlug ihm die Sprache. Wenn Mitt wollte, konnte er
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