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Jones, Diana Wynne

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Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 02 Die heiligen Inseln
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wenn du sie nicht aussprechen solltest, falls du sie nicht ruhen lässt«, sagte der alte Mann. »Was du nun tun musst, ist, diesem Weg zu folgen.« Er wies auf die Felsen auf der landeinwärtigen Seite des niedrigen grauen Hauses.
    »Aber wie kann ich in dieser Richtung die Insel verlassen?«, fragte Mitt.
    »Der Erderschütterer zeigt dir den Weg«, versicherte ihm der Priester.
    Mitt zuckte mit den Schultern und blickte zum grünen Buckel der Nachbarinsel hinüber, die eine gute halbe Meile entfernt lag. Dennoch, wohin der alte Mann deutete, schien ein bequemer Weg nach unten zu führen. Als Mitt sich wieder zu ihm umdrehte, um sich bei ihm zu bedanken, war er verschwunden. Mitt wusste, dass er keine Zeit gehabt hätte, irgendwohin davonzuhinken. Der alte Priester war einfach nicht mehr da. Mitt spürte, dass es rings um das Haus nun völlig leer geworden war.
    »Und er kam mir vor wie ein echter Mensch«, sagte Mitt. »Ich möchte wissen, wer das war.«
     

20.
    In einer sanften Abendbrise steuerte die Straße des Windes, leicht nach Westen geneigt, zwischen den Inseln hindurch. Als hinter dem Hohen Schroff und dem nebelverhangenen grünen Buckel der Heiligen Insel die Sonne rot und golden wurde, begann Hildy zu frösteln. Ress wies sie darauf hin, dass sie unter Deck Mäntel finden könne. Hildy ging in die Kajüte. Dort war nicht nur der Verschlag repariert und das Wasserfass nachgefüllt worden, sondern auf der vorderen Koje lag ein ganzer Stapel Mäntel, dazu mehrere Paar Seestiefel sowohl in Jungen-als auch in Männergrößen. Verwundert zog Hildy sich einen der Mäntel über und ging wieder an Deck, um Ress danach zu fragen.
    Ein lieblicher, gespenstischer Laut drang an ihr Ohr. Von Ommern her schien er zu kommen. Bezaubert lauschte Hildy einer Melodie, die Melancholie ausdrückte und zugleich von Freude erfüllt war – ein Lied und gleichzeitig doch nur die Bruchstücke eines Liedes. Nur kam es gar nicht von Ommern, wie sie zuerst gedacht hatte, sondern von einem grünen Buckel namens Wittess. Kaum aber wandte sich Hildy dorthin, als der Laut von der Seite zu erklingen schien, von Prestney her. »Ist das eine Flöte?«, fragte sie Ress.
    Er nickte. »Der Gruß der Großen.«
    Hildy lehnte sich über die Bootsseite und lauschte, bis sie glaubte, ihr müsse das Herz brechen, aber sie konnte dabei nicht sagen, ob vor Freude oder vor Trauer.
    Auch an Bord der Weizengarbe vernahm man das Flötenspiel. Das stolze Schiff krängte zwischen den Inseln, es sollte Ynen und Navis nach Holand bringen. Zusammen mit Al, Lithar und zwei Wächtern saßen sie in Benks Kabine. Der Kapitän stapfte in beträchtlichem Zorn umher. Anscheinend verloren die Segel der Weizengarbe aus unerfindlichen Gründen ständig den Wind, und darum kamen sie nur sehr langsam voran.
    »Könnt ihr denn nicht einmal die Segel richtig setzen?«, schimpfte Benk.
    »Es liegt am schwachen Abendwind. Die Inseln nehmen ihm außerdem die Kraft«, erklärte eine milde Stimme.
    »Das kannst du deiner verdammten Großmutter erzählen!«, brüllte Benk. »Du da! Hörst du wohl auf, da an deiner Rah zu schlafen. Setze gefälligst dein Segel!«
    Lieblich und launenhaft klang das Flötenspiel in Ynens Ohren, manchmal als dahinschmelzendes Lied, manchmal als wildes Gedudel. Weil Benk ununterbrochen schimpfte, konnte Ynen es nicht richtig verstehen. »Ich wünschte, er wäre mal still«, sagte er zu Navis.
    Von Zeit zu Zeit fiel Benk in erbittertes Schweigen. Jedes Mal ertönte das Flötenspiel aus einer anderen Richtung. Al wand die Schultern, als bekäme er davon einen Juckreiz.
    »Wenn sie doch nur mit dem verflixten Gedudel aufhören würden! Was soll das denn eigentlich?«
    »Es flötet doch niemand«, antwortete Lithar überrascht. »Manchmal hört man es eben, und wenn, dann kurz vor Sonnenuntergang, wenn es Zeit fürs Abendbrot ist. Sollen wir zu Abend essen?«
    »Wenn du dann glücklich bist«, knurrte Al.
    Benks Diener brachte kalten Braten, Obst und Wein. Al aß nicht viel, er trank nur. Die anderen ließen es sich schmecken, während sie notgedrungen Benks Gebrüll zuhörten und dazwischen, wenn er einmal schwieg, immer wieder auf das Flötenspiel lauschten. Als der Diener den Braten wieder abräumte, waren sie noch immer zwischen den Inseln, und das Flöten ging weiter.
    Auch Mitt hörte das Flötenspiel, während er auf der Heiligen Insel abstieg und gelegentlich, wenn der Weg zwar steil, aber gerade verlief, ins Rennen geriet. Der Laut schien

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