Jones, Diana Wynne
daran, gleichwohl ein wenig verschwommen, aber er brach nie mehr auf, um es zu suchen. Wenn er ging, würden ihn doch nur wieder die Soldaten zurückbringen. Das stimmte ihn traurig. Wenn etwas ihm dieses Land ins Gedächtnis rief, Schweigen zum Beispiel oder Gerüche, später auch, wenn der Wind eine bestimmte Melodie summte oder ein Sturm von der See tobte und er mitten im Getöse denselben Klang vernahm, dann fiel ihm das verlorene Gelobte Land wieder ein, und einen Augenblick lang war ihm, als breche ihm das Herz. Dann aber schüttelte er das Gefühl ab und lachte mit seinen Eltern.
Mitt schien es, als könnten sie drei über alles lachen. Er wusste noch, wie er einmal mit Milda während eines heftigen Regens lachte. Mitt hatte versucht, sich Buchstaben zu merken, und fand es so schwierig, dass er einfach lachen musste. Dann blies ein heftiger Windstoß die klappernde Tür auf, wehte Regenwasser in die Ecken und durchtränkte alles im Raum. Mitts Vater stand in der Tür, nass bis auf die Haut, aber lachend, und er brüllte, die Kuh habe gekalbt. Als er das sagte, brach die Tür aus den Angeln und knallte gegen ihn. Und sie lachten alle, bis ihnen die Seiten schmerzten.
Das Lustigste von allem geschah, nachdem das Kalb zu einem ausgelassenen jungen Stier herangewachsen war. Mitt und seine Eltern waren auf der Weide und versuchten eine Stelle auszubessern, wo der Grabenrand nachgab. Der Jungbulle beobachtete sie recht aufmerksam. Das Leben auf der Weide bot nur wenig Abwechslung. Da kletterte Hadds Pachteintreiber über den Zaun und schritt ärgerlich auf den Graben zu.
»Ich war schon bei euch am Haus«, sagte er. »Warum seid ihr nicht…?«
Mit Schalk in seinen fröhlichen roten Augen senkte der Stier die Hörner und stürmte los. Er hätte nicht im Traum daran gedacht, jemanden zu verletzen, der zur Familie gehörte, aber beim Pachteintreiber war es etwas anderes. Auf seine trübe, stierhafte Art begriff er wohl auch, dass die Familie durchaus nicht erfreut war, den Pachteintreiber zu sehen. Wie dem auch sei, der Pachteintreiber flog mitsamt Geldtasche im Bogen durch die Luft und fiel, mitsamt der Geldtasche und einem wahrhaft ungeheuerlichen Platschen, in den Graben. Er tauchte auf und fluchte fürchterlich. Er zog sich am Ufer hoch und versuchte, aus dem Graben zu klettern, doch der Jungbulle war schon da und stieß ihn einfach ins Wasser zurück. In seinem ganzen Leben hatte Mitt noch nichts Lustigeres gesehen. Der Pachteintreiber kam überhaupt nicht auf den Gedanken, zum anderen Grabenufer zu schwimmen und dort hochzuklettern, wo der Bulle ihn nicht erreichen konnte. Die Geldtasche fest im Arm, versuchte er sich immer wieder an dem Ufer hochzuziehen, an dem der Jungbulle nur darauf wartete, ihn wieder hineinzustoßen, und Platsch! landete der Pachteintreiber erneut im Graben. Immer wieder kletterte der Mann hoch, kam ins Schlingern, setzte sich klatschend auf den Hosenboden und kreischte: »Könnt ihr das Ungetüm denn nicht im Zaum halten!« Mitts Eltern standen Kopf an Kopf gelehnt, hilflos vor Lachen, unfähig, irgendetwas zu unternehmen. Mitt war es schließlich, der ebenso laut lachend wie die anderen seinen Finger in den Nasenring des Stiers hakte und den wutschäumenden Pachteintreiber aus dem Graben ließ. Damit war der Pachteintreiber aber noch nicht zufrieden.
»Dich lehre ich es noch, mich auszulachen, Junge!«, zischte er.
Und er hielt Wort. Als er das nächste Mal kam, um die Pacht einzutreiben, verlangte er das Doppelte. Mitts Vater protestierte, und der Pachteintreiber sagte: »Hat nichts mit mir zu tun. Graf Hadd braucht das Geld.«
Vermutlich war Hadd wirklich knapp bei Kasse, denn im ganzen Koog wurde die Pacht erhöht. Man munkelte, in der Stadt Holand gebe es Aufruhr und der Graf müsse noch mehr Soldaten anwerben, um der Aufständischen Herr zu werden. Doch gleich verdoppelt wurde die Pacht nur für Grabensend. Obwohl Mitts Eltern wussten, dass sich der Pachteintreiber damit an ihnen rächte, konnten sie nichts dagegen unternehmen. Theoretisch hätten sie sich an das Gesetz wenden und den Pachteintreiber des Wuchers beschuldigen können. Der Pachteintreiber war jedoch ein Beamter des Grafen, und die Richter bevorzugten stets die gräflichen Angestellten gegenüber den gewöhnlichen Leuten – es sei denn natürlich, man bestach sie hoch genug. Mitts Eltern hatten jedoch kein Geld für Bestechungen übrig. Sie besaßen nicht einmal genügend Geld, um die Pacht zu bezahlen, und
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