Jones, Diana Wynne
doppeltes Spiel. Tu, was ich tue. Du kannst die Grafen nicht schlagen, also schließ dich ihnen an. Suche Geheimbünde von Freiheitskämpfern und tritt ihnen mit dem Segen des Grafen bei. Dann lass sie auffliegen. Das hab ich in ganz Dalemark schon getan. Harchad bezahlt – er will alles wissen. Grafen zahlen – gutes Leben.«
Mitt spürte, wie sein Gesicht alterte, während er zuhörte. Immer wieder tauchten neue Ähnlichkeiten zwischen Al und ihm auf. Er wandte sich von Als wackelndem Finger ab und sah, dass Hildy und Ynen genauso betroffen waren wie er. Elend hielten sie die Köpfe in einem eigenartigen Winkel geneigt wie kraftlose Puppen, und ihre Gesichter waren wie verschleiert. Mitt hätte gern etwas gesagt – eine Grobheit, die sich gegen Al richtete, um sie wenigstens ein bisschen aufzuheitern. Doch er fühlte sich selbst so elend, dass er nur denken konnte: Nett zu sein ist ein kostspieliger Luxus. Warum soll ich mir Gedanken darum machen? Er sprang aufs Deck und eilte zum Bug der Straße des Windes.
»Den übelsten Haufen Freiheitskämpfer hab ich in Weymoor angetroffen«, sagte Al. »Wo willst du hin?«
»Ich spreche mit dem Alten Ammet«, antwortete Mitt. »Er ist ein besserer Zuhörer. Er hält den Mund.«
»Aber am gemütlichsten«, fuhr Al fort, als habe Mitt nichts gesagt, »war es auf den Heiligen Inseln. Sie wissen dort gar nicht, was Freiheitskampf bedeutet – aber das sage ich Harchad natürlich nicht.« Er lachte. »Für die Leute dort bin ich der Größte. Und das nur wegen meines Namens. Wusstet ihr, dass ich Alhammitt heiße? Aber das verrate ich in Holand natürlich nicht. Dann würde ja halb Holand kommen und versuchen, sich dort ins gemachte Nest zu setzen.«
»Halt doch endlich den Mund!«, flüsterte Hildy.
Doch Al redete weiter, bis nur noch ganz wenig Arris in der Flasche übrig war. Dann sang er die ›Ballade von Filli Ray‹. Es ging darin um einen Mann, der gehenkt werden sollte.
»Wenigstens weiß er, was er verdient!«, sagte Ynen. »Hildy, ich weiß jetzt, woher ich ihn kenne. Er war letzte Woche im Palast. Als ich ihn das erste Mal sah, ging er zu Onkel Harchad. Das andere Mal war er hinter dem Palast, wo Vater die neuen Häuser bauen lässt. Al kam heraus und hat dort mit Vater gesprochen, fürchte ich.«
An ihrer mörderischen Übelkeit merkte Hildy, dass sie so etwas die ganze Zeit über befürchtet hatte. »Du … du meinst, auch Vater hat ihn bezahlt, damit er Großvater erschießt?« Wenn Navis damit gerechnet hatte, dass jemand Hadd erschoss, so erklärte es auch seine ungewohnte Geistesgegenwart.
»Ich weiß nicht«, flüsterte Ynen jammervoll. »Er hat doch Mitts Bombe weggetreten.«
»Aber vielleicht nur, weil sie ihm nicht in den Plan passte«, sagte Hildy, und alle beide blickten Mitt an, der sich hinter dem Mast zusammengekauert hatte. Beide waren sich sicher, dass Mitt nichts mehr mit ihnen zu tun haben wollte.
Das Lied war zu Ende, und Al trank den restlichen Arris. Dann erhob er sich und torkelte zur Plicht. Hildy und Ynen, die sich beide sehr fürchteten, wichen vor ihm zurück und starrten in sein wankendes, grinsendes Gesicht hoch. Man konnte einfach nicht wissen, was Al als Nächstes tun würde.
»Ist schon komisch, junger Herr und kleine Dame«, lallte Al. »Ihr guckt, als hättet ihr ‘n Gespenst gesehen. Und noch was Lustiges – ich fühl mich irgendwie nicht richtig. Ich glaube, ich geh und leg mich was hin.« Er rutschte von der Dachkante und brach in der Plicht in die Knie. Weder Hildy noch Ynen konnten den Gedanken ertragen, ihn anzurühren. Seitwärts wichen sie ihm aus, als er sich herumwarf und in die Kajüte kroch. Nach zwei erfolglosen Versuchen konnte er sich an einer Koje hochziehen, und kurz darauf schnarchte er.
»Er liegt wieder auf der Büchse«, sagte Hildy verzweifelt.
Sie warteten, dass Mitt in die Plicht zurückkehrte. Nichts auf der Welt erschien ihnen wichtiger, als dass Mitt zu ihnen kam und ein freundliches Wort an sie richtete. Ihr brennender Wunsch hatte nichts damit zu tun, dass sie Mitt unbestritten für den Einzigen unter ihnen hielten, der es mit Al vielleicht aufnehmen konnte. Wenn Mitt nichts mehr mit ihnen zu tun haben wollte, dann waren sie nicht mehr Herren auf ihrem eigenen Schiff. Doch Al schnarchte schon zwei Stunden, bevor Mitt sich regte. Der Alte Ammet hatte ihm genauso wenig Trost gespendet wie Libby Bier in der Nacht zuvor, obwohl Mitt mehrmals die Hand vorgestreckt und flehend den
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