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Jones, Diana Wynne

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Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 02 Die heiligen Inseln
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zunutze machen könnte, wenn er schon wach war. »Wie gut kennst du die Küste?«, fragte er ihn listig.
    »Wie meine Westentasche«, antwortete Al über die Schulter hinweg. »Hab dir doch gesagt, dass ich weit rumgekommen bin, junger Herr.«
    »Könntest du dann an Deck bleiben?«, bat Ynen.
    Al antwortete nicht. Er ging wortlos in die Kabine und kletterte in die Koje.
    Doch wie sich zeigte, benötigten sie an diesem Tag weder Als Hilfe noch die Karten. Der Wind blieb flau, und Land kam nicht in Sicht. Sie würden noch eine weitere Nacht hindurch Wache stehen müssen.
    »Am besten drehen wir nach Norden«, sagte Mitt. »Auf unserem jetzigen Kurs könnten wir nachts auf Grund laufen.« Und erneut meldete er sich für die Morgenwache.
    Ynen weckte Mitt früher als gewohnt. Der Himmel war noch nicht einmal blass geworden, doch Ynen war schrecklich müde. Immer wieder nickte er ein und wachte auf, weil Libby Bier ihn sanft in den Rücken stieß; der letzte Stoß war nicht mehr so sanft. Ynen fuhr auf und bemerkte, dass die Luft kühl und schwül zugleich war; etwas war anders als sonst. Die Straße des Windes schaukelte stark und ruckartig. Ynen hatte so etwas nicht mehr seit dem Tag gespürt, an dem sie den Armen Alten Ammet aufgefischt hatten, und für einen Moment war er so verängstigt wie in der ersten Nacht mitten im Nirgendwo, während der Mitt in der Kajüte immer wieder im Halbschlaf aufschrie. Er legte die Hand auf Libby Bier, um sich zu beruhigen, und beschloss, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als Mitt zu wecken.
    »Ich glaube, wir sind jetzt in Küstengewässern«, sagte er zu Mitt und ließ sich in die warme Koje fallen, kaum dass Mitt sie verlassen hatte.
    Mitt wusste, dass sie schon seit dem Vortag durch Küstengewässer fuhren. Schon bevor er richtig wach war, stand er an der Ruderpinne. Während er wild an der Leine des Großsegels zerrte, die Ynen mit einem Knoten festgebunden hatte, für den Siriol ihm das Tauende zu schmecken gegeben hätte, bemerkte er, dass die Straße des Windes durch beunruhigend seichtes Wasser fuhr. Er suchte die hellere Hälfte des Himmels ab, erblickte jedoch nur dunstige Finsternis. Aber während er sich noch umschaute, hörte er mit einem Mal das Brüllen und Donnern einer Brandung.
    »Lodernder Ammet! Irgendwo dort ist ein Riff«, sagte er. Er wischte sich den Schweiß aus den Augen, der ihm plötzlich ausgebrochen war, und starrte nach vorn in die weichende Dunkelheit. Er glaubte schon, ihm würden vor Anstrengung die Augen aus den Höhlen platzen. Deutlich hörte er nun die Brandung, aber er konnte überhaupt nichts sehen.
    Die Gestalt mit dem wehenden hellen Haar, die sich halb hinter dem Vorsegel verbarg, deutete nach rechts vorn. Ja, aber was soll das bedeuten? Dort sind die Felsen oder dorthin sollst du fahren?, fragte sich Mitt erregt. Unter seiner Hand schlug die Pinne fest nach links. Die Straße des Windes legte sich nach rechts und trat in den lebhaften Strudel und das Gluckern einer Strömung ein. Links von Mitt krachten die Brecher, und er sah undeutlich den weißen Schaum auf den Felsen, die er nur knapp verfehlt hatte.
    »Puh!«, machte Mitt. »Hab Dank, Alter Ammet. Danke, Libby. Obwohl ich nicht weiß, warum ihr uns immer wieder helft, wo doch Al und ich an Bord sind, aber wahrscheinlich denkt ihr an Hildy und Ynen. Danke trotzdem.«
    Noch während er sprach, hörte er vorn die Wellen gegen neue Felsen brechen. Als er die weiße Gestalt diesmal deuten sah, zögerte er nicht, sondern drehte die Straße des Windes sofort wie geboten. Der Ammet wies fast augenblicklich in die andere Richtung, und auf beiden Seiten der Straße des Windes krachte die Brandung; weißlich-gelb zeigte sich im zunehmenden Licht die Gischt. Mitt folgte dem wegweisenden Arm des Alten Ammet durch ein Labyrinth aus Klippen, das so kompliziert war, dass ihm beim bloßen Gedanken, er müsste sich den Weg selbst suchen, der Schweiß auf die Stirn trat. Ein-oder zweimal knirschte der Kiel der Straße des Windes trotz der Sorgfalt des Alten Ammet über Grund, und Unterströmungen wollten sie seitwärts abtreiben. Dann spürte Mitt, wie Libby Bier ihm kraftvoll an der Ruderpinne half und das Boot wieder auf den richtigen Kurs brachte. Sosehr er sich auch fürchtete, Mitt lächelte dann jedes Mal. Währenddessen wurde es immer heller. Wenn es so weiterging, konnte er schon bald beide in ihrer wahren Gestalt erkennen. Mit jeder Sekunde sah der Alte Ammet mehr wie ein Mensch aus, und aus

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