Jones, Diana Wynne
zurück, was ich über die Gegend hier gesagt habe! Du wirst dich hier sehr wohl fühlen!«
Die blasse, hochmütige Art, in der Hildy ihn ansah, verletzte ihn ziemlich. »Das hier«, sagte sie, während sie sich die Finger knetete, »ist nicht der Norden.«
»Wen schert das?«, entgegnete Mitt. »Ich glaube, ich möchte selber hier bleiben. Da hätte ich nichts gegen … nein, nicht das Geringste!«
»… nun links…«
»… und dort liegt Schroffrett, neben ihr Latherney…«
Die Straße des Windes glitt zwischen das lang gestreckte, hohe Schroffrett und das beulenförmige Latherney und gelangte in ein offenes Becken, das von Inseln umringt wurde, und dort lag ein großes Schiff neben dem anderen vor Anker. Eines setzte gerade die Segel, ein anderes näherte sich, die Segel einholend, durch eine breite Lücke von der anderen Seite, als komme es gerade von einer Patrouille, aber die meisten ankerten mit kahlen Masten. Unter den ankernden Schiffen erkannte Mitt die Weizengarbe. Sie war ohne Zweifel rasch vor einem Wind gesegelt, der zu hoch über die Inseln strich, als dass die Straße des Windes ihn nutzen konnte. Doch wenn die Weizengarbe solch einen großen Vorsprung erlangt hatte, mussten Ress und Jenro eine Rundfahrt durch die Heiligen Inseln gemacht haben. Damit war Mitt eigentlich sehr zufrieden, und er fragte sich, aus welchem Grund.
Sie fuhren an einen langen, wie ein Hufeisen geformten Landesteg, an dem viele Boote festgemacht hatten. Dahinter lag eine kleine Stadt aus grauen und weißen Häusern, über der sich der Sitz des Barons erhob. Jenseits davon breitete sich das Festland aus, so grün und felsig wie die Inseln, als läge auch die Stadt auf einem Eiland.
»Das ist die Insel Gard. Von ihr aus führt ein Damm zum Festland«, erklärte Jenro.
»Und eine feine Flotte liegt im Hafen«, fügte Ress stolz hinzu.
Hildy versuchte, ihre Förmlichkeit abzulegen. »Hier liegen ja mehr Schiffe als in Holand«, sagte sie. Sie klang genauso gönnerhaft wie ihre Tanten und sah, wie Ynen leicht zusammenzuckte. Darum ärgerte sie sich über jeden und sagte gar nichts mehr.
Als die Straße des Windes nicht mehr weit vom Steg entfernt war, brachen Ress und Jenro in plötzliche Betriebsamkeit aus. Mitt hatte kaum Zeit, aufzuspringen und seine Hilfe anzubieten, da waren die Segel schon eingeholt und die Leinen ausgeworfen. Flugs stieß das Boot sacht gegen die Steinmauer des Stegs; es war vertäut, seine lange Reise zu Ende. Mitt und Ynen starrten sich gegenseitig an, müde, traurig und ein wenig ziellos. Ress war mittlerweile auf den Steg gesprungen und sprach dort mit einer Anzahl großer Männer mit ausdruckslosen Gesichtern, die dort standen.
»Geht ihr bitte mit ihnen?«, fragte er, nachdem er zu Mitt zurückgekehrt war. Er wies auf die Männer. »Sie sind nicht hier geboren.«
Ganz eindeutig stammten sie nicht von den Heiligen Inseln. Sie waren groß und dunkel wie viele Männer aus Holand. Da sie in einer Reihe längs des Stegs standen, hatte Mitt keine andere Wahl, als sich zu fügen. »Ich denke schon. Wir alle?«
»Wenn es euch recht ist«, antwortete Ress. »Wir sehen uns wieder.« Jenro und er schüttelten Mitt die Hand, lächelten freundlich und gingen über den Steg davon. Mit einem Gefühl der Verlassenheit stiegen auch Hildy, Mitt und Ynen auf den Bootssteg. Die Männer schlossen sie ein, um sie durchzuführen. Es war sehr beunruhigend, aber nicht notwendig, da ihnen so schwindlig war, dass sie nicht gehen konnten. Sobald sie einen Schritt vortraten, fehlte entweder unerklärlicherweise der Boden vor ihnen, oder sie traten auf, bevor sie es erwarteten.
»Wir waren zu lange auf See!«, keuchte Mitt. »Ihr müsst warten.«
Die großen Männer warteten still und ungeduldig, während Ynen gegen Mitt stieß und Hildy gegen alle beide. Mitt und Ynen kreischten vor Lachen, und selbst Hildy musste lächeln. Von den Männern lächelte keiner, auch dann nicht, als sie sich endlich auf den Weg machen konnten, wobei sie schwankten wie alte Matrosen und fortwährend kicherten. Von der Stadt nahmen sie nicht viel wahr, obwohl Mitt zu seinem Erstaunen entdeckte, dass es mitten zwischen den Häusern Felder gab, auf denen Kühe weideten oder Weizen wuchs. Immer wieder sah er kurze Steinpfeiler mit quadratischen Oberseiten, die ihm etwa bis an die Hüfte reichten und mit Blumen, Früchten und Kornähren drapiert waren. Menschen trafen sie nur wenige, denn es war noch früher Morgen.
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