Jones, Susanna
Fotos. Ich verfolgte die Frau durch sie zurück, bis ich das erste von ihr fand. Ein aufregender Fund: Sie stand auf der Bühne, in einem Theaterstück. Das Bild musste vom hinteren Ende des Zuschauerraums aufgenommen worden sein, denn sie war nur eine kleine Gestalt im Scheinwerferlicht. Sie trug eine Militäruniform und hatte ein Gewehr geschultert. Ihr Mund war zu einem lautlosen Schrei aufgerissen. Die Bühne war klein, und sie stand ganz allein da. Die Wände des Theaters waren schwarz. Ich wunderte mich über Teijis Anwesenheit an so einem Ort. War er da hingegangen, weil er sie kannte, oder war er da gewesen, weil er das Theaterstück sehen wollte, und hatte sie dann zufällig gefunden? Er hatte nie irgendein Interesse am Theater bekundet, aber wenn er sie schon früher gekannt hätte, dann hätte es auch ein früheres Foto geben müssen. Vor dem Soldaten gab es nichts, nur ein paar Schnappschüsse eines Mannes im Nudellokal, der mit feuchten, roten Augen steif in die Kamera lächelte.
Ich folgte ihr wieder nach vorn. Es kamen mehrere weitere Bilder, die in Theatern aufgenommen worden waren. Sie trug unterschiedliche Kostüme, aber ihr Gesicht war schwer zu erkennen. Dann kamen andere Bilder: Coffeeshops, Parks, ein Flussufer, Partys. Beim Durchsehen stellte ich fest, dass es immer weniger von ihr als Schauspielerin gab und immer mehr, wo sie auf Partys war, auf abgewetzten Tatamis oder auf einem
Bett saß. Ihr Gesicht wurde von Bild zu Bild dicker und blasser. Dann kamen nur noch Partys. Sie fing an, traurig und immer trauriger auszusehen. Ihre eng anliegenden Kleider waren zerknittert und fleckig. Das letzte, das ich mir ansehen konnte, zeigte die Frau bäuchlings auf einem Bürgersteig liegend, den Kopf zur Seite gewandt. Ihre Mundwinkel waren hochgezogen. Sie mochte eine Grimasse schneiden oder auch lächeln. Ich konnte es nicht erkennen. Ich fragte mich, was in aller Welt sie da tat. Sie musste betrunken gewesen sein.
«Das sind persönliche Dinge.»
Teijis Stimme war ausdruckslos. Er war ohne ein Geräusch hereingekommen - oder ich war zu sehr in die Bilder vertieft gewesen, um es zu hören - und stand jetzt hinter mir.
Ich konnte nichts erwidern. Ich war in flagranti ertappt worden. Ich hätte lediglich sagen können, dass es mir Leid tat, aber in Wirklichkeit tat es mir nicht Leid, spioniert zu haben, sondern nur, dass ich dabei erwischt worden war. Ich stand auf, brachte es aber nicht fertig, mich umzudrehen und Teiji ins Gesicht zu sehen.
«Ich weiß. Ich hätte nicht hineinsehen dürfen.»
«Wir hatten keine Gäste, deswegen habe ich den Abend freibekommen. Ich wollte dich anrufen.»
Ich zuckte die Schultern. «Jetzt kannst du es dir sparen.»
«Ja. Kann ich.» Er stellte sich vor mich hin, sah mir in die Augen.
Ich dachte, jetzt ist alles aus. Ein paar Augenblicke lang schwieg er. Jetzt, wo ich diese Frau, die Schauspielerin, gesehen hatte, erschien er mir verändert. Seine Augen wirkten dunkler, sein Haar dichter, seine Knochen zeichneten sich schärfer ab. Er war gewissermaßen in den Brennpunkt gerückt. Ich starrte zurück und wartete darauf, dass er etwas sagte.
«Lass uns zu Hause bleiben. Komm.» Mit einem Fuß schob er den offenen Karton in die Ecke. Er zog mich zu seinem Bett und setzte sich neben mich. Als er mir ans Kinn fasste und mich ansah, lag ein trauriger Ausdruck in seinem Gesicht. Ich glaube, es war ihm unangenehm, mich ertappt zu haben. Er war wahrscheinlich wütend, aber er bedauerte mich auch. Minutenlang sah er mich an. Ich wusste nicht, wonach er suchte, und ich fürchtete mich vor dem, was er vielleicht finden würde.
Die Frau mit der bösen Miene ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Ich musste fragen.
«Wer war das?»
«Sachi.»
«Wo ist sie jetzt?»
«Ich weiß es nicht. Sie ist weg.»
«Sie ist einfach Knall auf Fall gegangen?»
«Wir haben Schluss gemacht. Sie ist weggegangen. Ich versuche nicht, sie wieder zu finden.» Er stieß einen tiefen Seufzer aus. «Lucy, ich habe dich gefunden, und ich denke nicht mehr an Sachi.»
Ich blieb stumm. Es fiel mir schwer zu glauben, dass er nicht mehr an sie dachte, wo ich mir sicher war, dass ich nie wieder aufhören würde, an sie zu denken.
«Wenn etwas vorbei ist, dann ist es vorbei. Man sucht nach etwas Neuem. Ich habe dich gefunden.»
Wir schliefen miteinander, aber ich konnte es nicht genießen. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich in Teijis Wohnung eingedrungen war, und ein noch schlechteres, weil
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