Jordan, Penny
bist heute so nachdenklich, Liebling. Was ist los?“
Miles lächelte flüchtig. „Nichts Besonderes.“
Er war heute Abend anders als sonst, das merkte Rosemary genau. Irgendwie distanziert. Sie kannte sich viel zu gut mit den Männern aus, um dieses Zeichen nicht richtig zu deuten: Miles langweilte sich.
Es war an der Zeit, ihre Affäre zu beenden. Eigentlich verlor Rosemary Miles nur ungern. Sie hatte bisher noch nie solch einen fabelhaften Liebhaber kennengelernt. Aber gefühlsmäßig hatte er ihr stets einen Teil von sich vorenthalten.
Rosemary beobachtete ihn unter halb geschlossenen Lidern. Miles war kein Mann, der sehr lange ohne eine Frau leben konnte. Vermutlich hatte er schon eine Nachfolgerin für sie gefunden.
Ohne Bitterkeit fragte sie sich, wer diese Frau sein mochte. Hoffentlich war sie so vernünftig, sich nicht in ihn zu verlieben.
Miles drehte sich zu ihr. „Vielleicht könnten wir heute Abend etwas früher gehen.“
Er will mir den Gnadenschuss also stilvoll geben, dachte Rosemary kläglich und fragte sich, ob er es ihr sagen würde, bevor oder nachdem sie ins Bett gegangen waren: Wie sie ihn kannte, würde er es ihr wahrscheinlich vorher sagen und anschließend wie zum Abschied noch einmal mit ihr schlafen.
Nachdem Pepper Miles gesehen hatte, fand sie keine Ruhe mehr. Geoffrey spürte ihre Spannung, ohne den Grund dafür zu ahnen, und fragte sie nach dem Essen, ob sie schon gehen wolle.
Dankbar stand sie auf und entschuldigte sich bei John und Louise. „Ich habe ziemlich starke Kopfschmerzen“, log sie und ließ sich von Geoffrey hinausführen.
„Bleiben Sie hier, ich hole Ihren Mantel“, bat er sie, nachdem sie das Foyer erreicht hatten.
Pepper setzte sich auf einen zierlichen vergoldeten Stuhl und starrte geistesabwesend vor sich hin. Ein weiteres Paar kam heraus. Die Stimme der Frau klang kühl, beinahe metallisch, die des Mannes tief und irgendwie vertraut.
Sie straffte sich und sah die beiden an.
„Pepper, was für ein unerwartetes Vergnügen!“
Pepper sah Miles auf sich zukommen, und ihr Hals schnürte sich schmerzlich zusammen. Mühsam stand sie auf, blieb mit dem Absatz im Rocksaum hängen und schwankte ein wenig.
Miles griff nach ihr, um sie zu stützen, und sie zuckte unter dem unerwartet warmen Druck seiner Hände zusammen.
Eineinhalb Meter entfernt beobachtete Rosemary, wie Miles die andere Frau ansah, und erkannte augenblicklich, wer ihren Platz in seinem Bett einnehmen würde. Versonnen lächelte sie vor sich hin. Zumindest bewies Miles Geschmack. Pepper Minesse war kein aufgeputztes Püppchen.
Sie waren gegangen, bevor Geoffrey mit dem Mantel zurückkehrte. Während er ihr hineinhalf, kämpfte Pepper noch immer damit, die kleine Szene aus ihrem Gedächtnis zu streichen.
4. KAPITEL
P epper schlief in dieser Nacht nicht gut. Der alte Albtraum verfolgte sie wieder. Er kehrte immer zurück, wenn sie unter Stress stand. Lange unterdrückte Empfindungen stiegen an die Oberfläche und quälten sie, und sie lag auf ihrem zerknüllten Satinlaken und legte die Hand auf das Herz, um es zu beruhigen. Verzweifelt bemühte sie sich, die viel zu aufdringlichen Erinnerungen an die finstere Dunkelheit, die tastenden Hände und flüsternden Stimmen zu verdrängen. In ihrem Albtraum waren sie so leise, dass sie sich anstrengen musste, die Worte zu verstehen. In Wirklichkeit hatte sie alles gehört. Sie hatte genau gewusst, was mit ihr geschah.
Vergewaltigung. Dieses Wort hinterließ einen bitteren Geschmack auf ihrer Zunge, und sie verzog den Mund. Es war ein voller, sündiger, sinnlicher Mund. Die Männer sahen immer darauf und malten sich aus, wie er sich feucht auf ihre Haut drückte.
Pepper war zu erregt, um auch nur den Versuch zu machen, noch einmal einzuschlafen. Sie wusste, was dann geschehen würde. Sie wäre wieder in jenem dunklen Zimmer in Oxford, und die Männer, die sie dorthin gebracht hatten, bewachten die Tür, während …
Sie zitterte am ganzen Leib, und Schweiß bedeckte ihre weiche, seidige Haut. Erneut merkte sie, wie die Angst sie zu ersticken drohte, und sie kämpfte dagegen an und bemühte sich, die schrecklichen Erinnerungen an die Hände auf ihrem Körper, die sie nicht sehen konnte, und die unverständlichen flüsternden Stimmen zu verdrängen.
Entschlossen schaltete sie die Lampe neben ihrem Bett ein und atmete ruhig durch, um sich wieder in die Hand zu bekommen. Sie schwitzte und fröstelte gleichzeitig. „Man kann alles vom Leben
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