Jordan, Penny
Kraft, die stärker war als jeder einzelne oder ihrer beider Willen.
Als Duncan spät in der Nacht wach im Bett lag, sich nach ihr sehnte und seine Lebenskraft erneut auf sie übertragen wollte, erinnerte er sich an Laylas helle Lustschreie, ihre festen Schenkel, die seinen Körper umklammert hatten, und ihren zarten weiblichen Duft.
Layla lag in ihrer schmalen Koje und dachte ebenfalls an ihn. Sie hatte das gemeinsame Erlebnis richtig genossen. Mehr noch erregte sie, dass sie tatsächlich so weit gegangen war. Jetzt konnte Rafe sie nicht mehr nach altem Zigeunergesetz für sich beanspruchen. Sie brauchte nicht mehr den Kopf vor ihm zu beugen und ihn auch nicht mehr als ihren Herrn und Meister anzuerkennen.
Sie wusste, dass viele sie für stolz und eigensinnig hielten und behaupteten, ihr Vater habe sie verwöhnt. Vielleicht stimmte das, aber sie ließ sich nicht wie ein Pferd in die Obhut eines Mannes verkaufen. Aller Unmut, den sie empfunden hatte, seit Naomi ihr zum ersten Mal erklärt hatte, sie müsse Rafe heiraten, kehrte zurück und steigerte sich zu einer heftigen Abwehr. Sie hatte einen „Gorgio“-Jungen als Liebhaber gewählt und damit eines der geheiligsten Zigeunergesetze gebrochen. Aber das war ihr gleichgültig. Kein Gesetz konnte sie binden.
Mehr als eine Woche traf sich das junge Paar regelmäßig. Duncan war derart verliebt in Layla, dass ihm alles andere unwichtig wurde. Er lebte nur für die wenigen Augenblicke, die sie sich von ihrem Stamm fortschleichen konnte. Der Gedanke, dass Rafe sie beobachtete, steigerte ihre Erregung nur.
Erst als der Schnee zu schmelzen begann und Rafe sagte, es sei an der Zeit weiterzuziehen, begann Layla, sich vor den Folgen ihres Verhaltens zu fürchten. Eines Nachmittags, als sie auf dem Heuboden in einer Scheune seines Onkels lagen, vertraute sie Duncan ihre Ängste an.
„Dann geh nicht mit“, bat er sie heftig. „Bleib hier bei mir … Wir werden heiraten.“
Nervös wand sich Layla in seinen Armen. Duncan heiraten? Wollte sie das wirklich? Sie liebte ihn, sie liebte seinen glatten jungen Körper, sie liebte das Begehren, das er in ihr schürte, aber ihr gefiel auch die Erregung, sich zu ihm zu stehlen, das gefährliche Elixier der verbotenen Tat.
Wenn sie bei Duncan blieb, würde ihr Stamm sie verstoßen … Ihr Name würde nie wieder ausgesprochen werden, und ihre Mutter …
Naomi hatte ihre eigenen Probleme. Dieses schottische Tal war immer eines ihrer Lieblingslagerplätze gewesen. Normalerweise verbrachte der Stamm zwei Monate hier. Aber jetzt war Rafe ihr Führer, und er mochte das Tal nicht. Außerdem wurde er immer ungehaltener wegen Laylas Torheiten, das wusste sie. Doch ihre Tochter war so halsstarrig, noch ein Kind und wild und ungestüm wie das temperamentvollste Fohlen.
Ich werde alt, dachte Naomi erschöpft. Ihre Glieder schmerzten bei dem kalten Wind, und das Leben hatte seit dem Tod ihres Mannes den Reiz für sie verloren.
Rafes Verdrießlichkeit schien den ganzen Stamm anzustecken. Einige Männer behaupteten, das Tal sei kein guter Lagerplatz mehr. Sie brauchten ein Fest, das ihre Lebensgeister wieder weckte – eine Hochzeit. Aber Layla war das einzige Mädchen des Stammes im heiratsfähigen Alter. Und sie …
Naomi seufzte leise, nahm die alten Tarotkarten, die sie immer bei sich trug, und legte sie geistesabwesend aus. Eine Karte stach besonders heraus, und ihr wurde eiskalt: der Tod! Mit zitternden Finger schob sie die Karten wieder zusammen.
Tarotkarten logen nie, das wusste sie. Sie erschauderte zutiefst und spürte die lauernde Gefahr, die dem menschlichen Auge verborgen blieb, aber dennoch vorhanden war, und deren unbestimmbare Allgegenwart einen Schatten über den ganzen Stamm warf.
Eines Morgens verkündete Rafe, dass sie weiterzögen. Niemand stellte seinen Entschluss infrage, nicht einmal Layla. Die Entscheidung des Stammesführers waren unumstößlich. Doch sobald sie konnte, schlüpfte sie davon und eilte zu dem Treffpunkt mit Duncan. Diesmal wurde sie verfolgt.
Rafe stieg ihr mit der List seines Volkes nach und behielt sie im Auge – ohne dass sie es merkte. Die Panik hatte sie sorglos gemacht. Sobald sie das Tal hinter sich gelassen hatte, würde Rafe auf einer sofortigen Heirat bestehen. Da Duncan und sie sich liebten, war ihr die Vorstellung von einer Ehe mit ihm noch mehr zuwider.
Duncan würde sie heiraten, dessen war sie sicher. Aber sich von ihrer Mutter und der Lebensweise ihres Stammes zu lösen …
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