Jorina – Die Jade-Hexe
Helmen mit dem breiten Nasenschutz verschwanden. Sie erschienen ihr ein Symbol dafür, dass alles Menschliche hinter ihr blieb, sobald sie dieses Gemäuer betrat.
Drinnen wurden sie bereits erwartet. Der Schwarze Landry stand mit zwei Fackeln bereit, von denen er eine seinem Herrn reichte. Die andere hob er so an, damit das Mädchen die Wendeltreppe sehen konnte, die sich grau und schmal in die Erde hinunterwand.
»Vorwärts!« knurrte Cocherel und winkte ihr, ihm zu folgen, während er sporenklirrend die Treppe hinunterstapfte.
Jorina musste die dünnen Falten der roten Robe raffen, damit sie nicht auf den Saum trat, und in einer kindischen Regung bedauerte sie trotz allem, dass der feine Stoff Schmutz und Staub von den durchgetretenen Stufen fegte. Sie sagte sich, dass sie froh sein musste, wenn der falsche Hurenglanz dieses Gewandes ein wenig zerstört wurde. Tief in ihrem Herzen wusste sie jedoch, dass dies müßige Überlegungen waren, die sie im Grunde lediglich davon abhalten sollten, schon jetzt in ausweglose Verzweiflung zu verfallen.
Die Treppe nahm kein Ende. Windung für Windung bohrte sie sich in die Tiefe, und Jorinas Schätzung nach befanden sie sich bereits unter dem Niveau des Burggrabens. Sie zog bang den Kopf ein, jeden Augenblick darauf gefasst, dass von irgendwoher Wasser auf sie herablief. Gütiger Himmel, wie sollte ein Mensch in einem so schrecklichen Loch Stunden, wenn nicht gar Tage überleben, ohne der Verzweiflung anheimzufallen?
»Hier sind wir«, verkündete der Herzog und blieb so unerwartet stehen, dass sie fast gegen die blinkenden Sporen seiner Stiefel getreten wäre. Hier wurde der Boden unter ihren Füßen plötzlich eben. Cocherel hob die Fackel, um Jorina zu betrachten, und sie erschauerte unter der Bosheit seines Lächelns.
Sie sah sich nach dem Schwarzen Landry um. Sie hatte den absurden Eindruck, dass ihr in seiner Gegenwart nichts Schlimmes passieren konnte. Sein Kopf blieb im Schatten, und sie nahm nur die Konturen seiner muskulösen Gestalt wahr. Nicht so athletisch und riesig wie jene von Raoul de Nadier, aber doch groß und schlank genug, um Paskal Cocherels Gedrungenheit noch zu betonen.
Niemand konnte im Ernst die Komödie glauben, die er seinem Gefangenen vorzuspielen gedachte, befürchtete Jorina. Trotzdem straffte sie tapfer die Schultern, als Landry vortrat und die schweren Riegel löste. Er stieß die Tür auf und ließ dem Herzog den Vortritt.
Cocherel packte ihr Handgelenk und zerrte sie so grob unter dem Mauerbogen durch, dass sie stolperte und fast in das Verlies hineinfiel. Die beiden Fackeln beleuchteten dabei schonungslos ihre schlanke Gestalt. Sie betonten das cremige Weiß des schamlosen Dekolletés und die glänzende Fülle ihres Haares. Als sich Jorina aufrichtete, war der Schaden bereits passiert. Raoul de Nadier starrte sie kühl aus zusammengekniffenen Augen an, und nach der ersten Verblüffung begann er sie auf beschämende Art zu mustern.
Sie versuchte ihren Schock zu verbergen, als sie die schweren Ketten entdeckte, die ihn an die Mauer fesselten. Die Arme mussten ihm längst abgestorben sein, aber er hatte noch Energie genug, den Kopf zu heben und eine Frage zu stellen.
»Verdammter Schurke! Was habt Ihr mit dem Mädchen gemacht?«
Cocherel bleckte die gelblichen Zähne. »Ist das nicht offensichtlich, mein Freund? Ich habe das Kätzchen gezähmt und zum Schnurren gebracht! Überzeugt Euch selbst davon, dass es ihr gut geht!«
Er steckte seine Fackel in die Halterung an der Wand und trat neben seine Begleiterin. Er legte den Arm um ihre Schultern, die behaarte Pranke glitt vertraulich tiefer und tätschelte die bloße Rundung ihres Busens. Sie rieb in einer lässigen Liebkosung über die Brustwarze, und Jorina hätte am liebsten ihren Ekel laut herausgeschrien.
»Nun, willst du mich nicht küssen, mein Engel, damit unser Freund sieht, wie wohl du dich in meinen Armen fühlst?«
Er verstärkte schmerzhaft den Druck auf ihre Brust, aber Jorina hätte die Warnung auch ohne diesen brutalen Hinweis verstanden. Sie senkte die Lider, bekämpfte ihren Abscheu und küsste die schlecht rasierte, faltige Wange mit den grauen Stoppeln. Sie hörte Raouls wütenden Fluch. Das Klirren der Ketten, als er sich aufbäumte, schnitt ihr mitten durchs Herz.
»Habt Ihr immer noch nichts über die Weiber gelernt? Sie sind Huren, alle miteinander!« spottete der Herzog und stieß Jorina grob zur Seite. Sie wäre gefallen, hätte Landry nicht im Schatten
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