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Jorina – Die Jade-Hexe

Jorina – Die Jade-Hexe

Titel: Jorina – Die Jade-Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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straffte die breiten Schultern in hartnäckigem Stolz. Auch wenn es ihm nicht gelungen war, seine Unschuld zu beweisen, sollte jeder erkennen, dass er kein Feigling war.
    Der kleine Saal, in dem Jean de Montfort Botschafter und Abgesandte empfing, Recht sprach und sich mit seinen Räten traf, war an diesem Dezembervormittag des Jahres 1364 bis auf eine kleine Gruppe von Menschen, die an der Stirnseite um einen großen, geschnitzten Sessel stand, völlig leer. Es waren nur wenige Meter, welche die Tür von diesem eher zweckmäßigen als prächtigen Thron trennten, aber Raoul de Nadier kamen sie wie endlose Meilen vor.
    Seine Bewacher waren vor der Tür geblieben, und er stand, zwar ohne Fesseln, aber doch in der ganzen übel riechenden Schäbigkeit eines Mannes da, der seit Wochen in den gleichen Kleidern gelebt und geschlafen und kaum genügend Wasser erhalten hatte, um seinen Durst zu stillen.
    Jene vor ihm glänzten in pelzbesetzten Samttuniken, eng sitzenden Beinkleidern, schweren Goldketten und modischen Lederschuhen. Die beiden Damen, welche die Gruppe vervollständigten, trugen schimmernde Seide und hauchdünne Schleier über den hochgesteckten glänzenden Haaren.
    In der älteren, ein wenig gedrungenen glaubte er die Gattin Jean de Montforts zu erkennen, und die andere schien eine junge Ehrendame der Herzogin zu sein. Er vertat seine Energie nicht über der nutzlosen Frage, was diese beiden hier zu suchen hatten. Er konzentrierte seine ganze Aufmerksamkeit auf den Herzog, der vor seinem Thron auf ihn wartete. Den scharfen Zügen war nichts zu entnehmen. Kein Vorwurf, keine Verdammung, kein Zorn.
    Karl von Blois hatte diese staatsmännische Maske nicht besessen. Er war offener, fröhlicher, vertrauensvoller gewesen, und das hatte ihn am Ende das Leben gekostet. Ein Leben, für das sein Waffenbruder bezahlen sollte. Im Grunde ist es gerecht, schoss es dem Ritter jäh durch den Kopf, als er langsam nähertrat. Er hatte keinen Verrat begangen, aber er hatte als Waffengefährte versagt. Er hätte an Karls Seite reiten und ihn vor dem tödlichen Schwertstreich schützen müssen. Dies war ihm wirklich vorzuwerfen!
    Die düstere Erkenntnis hielt ihn davon ab, das Knie zu beugen. Aufrecht und stolz blieb er Auge in Auge mit dem Herzog der Bretagne stehen. Er wollte nicht in Demut sein Urteil empfangen.
    Jean de Montfort überwand den letzten Schritt zwischen ihnen und legte seine Rechte auf die Schulter des jungen Mannes, die sich knochig und hager unter seinen Fingern anfühlte. Er spürte, wie der Ritter bei dieser Geste zusammenzuckte.
    »Raoul de Nadier, Ihr seid frei!«
    Der Herzog machte eine dramatische kleine Kunstpause, um die überraschenden Worte wirken zu lassen. Wie sie einschlugen, spürte er, als sich der Körper des Ritters unter seinem Griff verkrampfte. Er blickte in die verschleierten, grünen Augen und las Unglauben ebenso wie Misstrauen und Vorsicht darin.
    »Ihr seid frei«, wiederholte er zur Bestätigung. »Man hat Euch zu Unrecht des Verrats und eines Verbrechens beschuldigt, das ein anderer begangen hat. Gestattet uns, Euch für die erlittene Schmach zu entschädigen. Wir bitten Euch, Euren angestammten Platz unter den Rittern dieses Herzogtums wieder einzunehmen. Seid unter meinen Männern willkommen, Raoul de Nadier, Seigneur von Penfao und Portchateau!«
    Die Aufzählung jener Titel und Besitztümer, die er längst für verloren gehalten hatte, riss den Ritter aus seinem Schock. »Wie ist das möglich?« fragte er rauh.
    »Ihr habt Freunde, die auch unter den widrigsten Umständen an Eure Ehre geglaubt haben.« Der Herzog erlaubte sich ein Lächeln, das die Situation entspannte. »Monsieur de Comper hat es sich nicht nehmen lassen, Eure Sache zu vertreten ...«
    Erst jetzt entdeckte Raoul die vertraute, hochgewachsene Gestalt neben der Herzogin. Seit sie bei Karl von Blois gemeinsam als Knappen gedient hatten, waren sie Freunde, der hochnoble Seigneur de Nadier und der zweite Sohn eines verarmten Ritters aus der Nähe von St. Malo. Wieso hatte er nicht damit gerechnet, dass Jos ihm die Treue halten würde?
    »Und dann seid Ihr natürlich dieser jungen Dame Dank und Ergebenheit schuldig«, fuhr der Herzog fort, ohne Jos und Raoul Gelegenheit zu mehr als einem erfreuten Blick zu geben. »Eine Diplomatin und Kriegerin von hohem Rang!«
    Jean de Montfort streckte auffordernd die Hand aus, und die Dame an der Seite der Herzogin legte deutlich zögernd ihre Finger in diese Hand. Sie sah, wie

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