Josef und Li: Roman (German Edition)
zurück unters Brett und legte den Schlüssel wieder auf seinen Platz. Gleich darauf stürzten Máchal, Helena, Hnízdil und Šíša mit Olík oder besser Olík mit Šíša in die Gartenlaube. Es war nämlich nicht sicher, wer wen zog – Olík Šíša – der sich noch immer im Hosenbein festgebissen hatte – oder Šíša Olík.
Josef hatte sich noch nie in einer solch bedrängten Lage befunden. Und besonders angenehm war es nicht.
»Ach so was, seht mal her, wer zu Besuch gekommen ist! Der kleine Hosenscheißer! Er war neugierig, doch jetzt wird er es büßen …«, sagte Helena und kam immer näher auf Josef zu.
Josef überlegte fieberhaft, wie er aus der Umzingelung wieder herauskommen konnte. Und dann hatte er endlich die rettende Idee. Er schnappte sich das Erste, was er zu fassen bekam – in dem Fall den Topfdeckel mit dem Zeichen der Tigerkrallen – , und schleuderte es blitzschnell nach vorn. Der Deckel
flog dicht an Hnízdil vorbei, hinaus aus der Gartenlaube und rollte mit Geschepper über den Kies ins hohe Gras. Helena und die Jungs blickten ihm hinterher. Und das war genau das, was Josef wollte. Er nutzte die Unaufmerksamkeit der Tigerkrallen und sprang auf der anderen Seite aus der Laube hinaus.
»Ihm nach!«, schrie Helena und rannte hinter Josef her. Máchal und Hnízdil fingen auch an zu rennen. Und dann rannte auch Šíša, nachdem Olík ihn losgelassen hatte.
Olík freute sich sehr, dass alle irgendwohin liefen. Er dachte, das wäre ein Spiel, und er hatte eigentlich Recht, denn es war nichts anderes als ein Spiel. Und als Josef sich vor seinen Verfolgern in der Nische eines Hauses versteckt hatte, freute sich Olík ungeheuerlich, ihn dort zu finden. Er wedelte fröhlich mit dem Schwanz, sprang an ihm hoch und wollte ihm die Nase abschlecken. Dank Olík aber entdeckten ihn auch Máchal, Hnízdil, Šíša und Helena, und es sah überhaupt nicht danach aus, als wollten sie ihm die Nase abschlecken und sie wedelten schon gar nicht fröhlich herum.
Josef entkam ihnen um Haaresbreite. Da lief aber schon Olík mit ihm, und als sich Josef in der Nische eines anderen Hauses versteckte, blieb er die Ruhe selbst und sah ungerührt zu, wie die Tigerkrallen dicht an ihm vorbeiliefen.
Josef und Olík dachten, sie hätten die Tigerkrallen außer Gefecht gesetzt, und liefen langsam und gemütlich in die Richtung nach Hause.
Doch man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Als Josef schon am Haustor war, hörte er dicht hinter sich den durchdringenden Befehl »Auf iiiiihn!!!«
Wie aus dem Nichts tauchte Helena mit Máchal, Hnízdil und Šíša auf.
Josef und Olík liefen flink durch die Einfahrt in den Hof. Noch ein paar Meter und sie wären in Sicherheit – in der Werkstatt von Herrn Klička und Frau Kličková. Aber die Tür war abgesperrt. Vergeblich rüttelte Josef an der Klinke, die Tigerkrallen kamen immer näher und Josef wurde immer mulmiger zumute. Und als die Situation schon zum Unguten zu kippen drohte, passierte etwas völlig Unerwartetes.
Gegenüber von der Werkstatt, in der Erdgeschosswohnung der Nguyens, ging ein Fenster auf und darin erschien Li. Und Josef sah aus dem Augenwinkel, wie sie ihm zuwinkte und ihm ein Zeichen gab, er solle kommen und sich bei ihr verstecken.
Josef zögerte keine Sekunde. Er durchbrach den Kreis der Tigerkrallen, lief auf die andere Seite des Hofs und schwang sich mit einem Satz zusammen mit Olík in Lis Zimmer. Das war haarscharf. Máchal, Hnízdil, Šíša und Helena konnten nur noch drohend die Fäuste recken, doch der Zutritt zu Lis Zimmer blieb ihnen verwehrt.
So fand sich Josef auf einmal bei Li wieder. Es wäre ihm sicherlich angenehmer gewesen, wenn Li gesehen hätte, wie er die Tigerkrallen mit links – oder auch mit rechts – erledigt hätte, doch sie lächelte ihn lieb an und ließ sich überhaupt nicht anmerken, dass es peinlich war, wie ein aufgescheuchtes Kaninchen in die Ecke gedrängt worden zu sein.
Und schon gar nicht sah man ihr an, dass es ihr um die hübsche Vase leidtat, die Josef bei seinem Sturzflug durchs
Fenster umgeworfen hatte. Josef begann sogleich, die Scherben aufzusammeln und sich immerzu zu entschuldigen, und auch Olík begann, das fremde Territorium zu beschnüffeln, entschuldigte sich aber für überhaupt nichts.
»Diese Blödmänner! Da haben sie noch Glück gehabt! Sonst hätte ich ihnen noch die Fressen poliert«, sagte Josef, als im Hof niemand mehr zu sehen war, und blickte dann flüchtig zu Li hinüber. Er
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