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Josef und Li: Roman (German Edition)

Josef und Li: Roman (German Edition)

Titel: Josef und Li: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Vovsova
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gewusst zu haben«, fuhr Helena fort. Und die Jungs nickten nur. Sie hatten verstanden.
    Dann tauchte Helena die Feder – eine Gänsefeder oder die von irgendeiner Henne – in ein Tintenfass und unterzeichnete das angebrannte Stück Papier: Helena Tigerkralle, Anführerin.
    Auch Máchal, Hnízdil und Šíša unterschrieben: Máchal Tigerkralle, 1. Stellvertreter, Hnízdil Tigerkralle, 2. Stellvertreter, Šíša (vorerst) nur Tigerkralle.
    »Und jetzt das Siegel!«, sagte Helena und Máchal fing an, das Siegelwachs in der Kerzenflamme aufzulösen. Šíšas Wangen glühten vor Erregung.
    »Da würde Josef aber Augen machen«, flüsterte er und Helena bemerkte voller Verachtung: »Dazu hat er nicht das Zeug, der kleine Scheißer!« Máchal und Hnízdil lachten trocken, und auch Šíša lachte ein bisschen.
    Die Jungs und Helena waren also jetzt die Tigerkrallen! Und Josef war keine Tigerkralle und darüber hinaus ein kleiner Scheißer. Das musste er sich nicht länger anhören. Er rief leise nach Olík und stahl sich aus dem Garten.
    Als er die Tür hinter sich zuzog, hörte er noch den Kriegsruf. Šíša schrie am lautesten von allen: »Werden Tigerkrallen je verraten, werden Feinde schön gebraten!«
    Josef kam sich auf einmal verlassen vor. Wie ein Gestrandeter auf einer feindlichen Insel voller Menschenfresser. Und Tigerkrallen. Er wischte sich seine Nase mit dem Ärmel ab. Und auch die Augen, wahrscheinlich war ihm da etwas hineingefallen.
    Alleine zu sein und keine Freunde zu haben war eigentlich gar nicht so schlecht. Also in Wirklichkeit war es überhaupt nicht gut, aber wenn es schon so sein musste, dann war es besser zu
denken, es wäre gut. Josef dachte also darüber nach und versuchte mindestens drei Gründe dafür zu finden, warum es besser war, allein zu sein und statt dreier Freunde und einer Freundin vier Feinde zu haben.
    Den ganzen Nachmittag lag er im Bett und suchte nach Gründen, doch er fand und fand keine. Frau Kličková dachte schon, er wäre krank und brachte ihm eine heiße Zitrone und das Fieberthermometer ans Bett und sagte, das käme davon, dass er immer ohne Mütze draußen herumlaufe. Josef dachte, es läge bestimmt nicht daran, dass er draußen ohne Mütze herumlaufen würde, doch er sagte lieber nichts. Frau Kličková dachte später auch, dass es nicht daran liegen würde, denn Josef hatte ganz normale Temperatur und im Hals war auch nichts Rotes zu sehen.
    Da dämmerte ihr, dass man mit einer heißen Zitrone nichts gegen diese Krankheit ausrichten konnte, und so brachte sie ihm noch ein Stückchen Schokolade und die neueste Ausgabe der Zeitschrift ABC. Und dann verwuschelte sie ihm noch das Haar und sagte mein kleiner Mausebär zu ihm. Es schien wirklich ernst um ihn bestellt zu sein, denn so nannte Frau Kličková Josef nur, wenn er über achtunddreißig Grad Fieber hatte.
    Und dann brachte ihm Vendula ein Bonbon, das unters Bett kullerte. Als er es hervorholen wollte, ertastete er ganz hinten in der Ecke den Griff eines alten Koffers. Er zog ihn heraus und musste, um ihn zu öffnen, ein bisschen mit dem Messer herumstochern, denn das Schloss klemmte. Doch dann ging der Verschluss mit einem leichten Plopp auf und Josef sah seine alten Spielsachen vor sich.
    Es schien ein halbes Jahrhundert vergangen zu sein, seit er das letzte Mal damit gespielt hatte. So lange kamen ihm die paar Jahre vor, seitdem Frau Kličková eines Tages alle zotteligen Plüschbären, das Äffchen Karel, die Leporellos und die angerempelten Spielautos auf einen Haufen gekehrt und im Koffer verstaut hatte. Denn Josef spielte nicht mehr damit, sie waren nurmehr Staubfänger und nahmen im Regal dem neuen Baukasten, den Büchern, Mappen und neuen Autos Platz weg.
    Frau Kličková hatte Recht. Kaum waren die Sachen aus Josefs Blickfeld verschwunden, vergaß er sie vollständig. Und nun lagen sie wieder vor ihm und es war, als wäre er gute zwanzig Zentimeter geschrumpft, als könnte er noch nicht lesen und rechnen, und als ob Oma und Opa noch lebten.
    Das Spielzeug erinnerte ihn an so vieles, sodass er nur dasaß, die Wand anstarrte. Und eigentlich ging es ihm ganz gut. Auf einmal waren wieder Ferien, es regnete und er lag mit seinen Eltern, Vendula und dem Äffchen Karel im Zelt.
    Der Regen prasselte gegen die Zeltwand, doch sie waren im Trockenen und in Sicherheit. Aber nur solange Karel sich nicht gegen die Wand lehnte, denn dann floss Wasser ins Zelt. Josef schimpfte mit Karel und Herr Klička wiederum

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