Josef und Li: Roman (German Edition)
sagte Vendula, weil es der Wahrheit entsprach.
Und da anscheinend doch Gerechtigkeit auf der Welt waltet, blökte Josef still vor sich hin: »Und ich hab’s nicht aufgegessen!«
Und so schlief Josef wieder einmal mit einem halbleeren Magen ein. Und Vendula mit einem Gefühl des Unrechts. Nur Herr Klička und Marta hatten gute Laune. Sie gingen noch ein Bier trinken, ins Wirtshaus am Eck, um die fettigen Laibchen herunterzuspülen, und Frau Kličková wurde von trüben Gedanken heimgesucht, die schwarz wie die Nacht waren.
Am nächsten Tag war Sonntag und Josef rief gleich am Morgen die Jungs an, um ihnen zu sagen, dass alles wieder wie früher sein könnte, dass sie endlich wieder Fussball spielen oder das Hvězda und das Viertel Střešovice auskundschaften könnten. Doch Máchal, Hnízdil und nicht einmal Šíša waren zu Hause. Und so lieh sich Josef Olík aus und ging alleine mit ihm hinaus.
Durch die Wolken blitzte manchmal die Sonne hervor, doch sie war so kühl und blass wie das Eigelb einer unterernährten Henne. Der Wind hingegen blies umso heftiger und riss das Laub von den Bäumen. Auf den Gehsteigen wirbelten Abfälle und Pappbecher umher. Die Leute mussten ihre Hüte und Mützen festhalten, damit der Wind sie nicht davontrug.
Josef ging zunächst in den Park, um zu sehen, ob die Jungs
nicht dort wären, doch sie waren nicht dort. Zu entdecken gab es nur den Wind und eine Schar Krähen, die gerade aus dem fernen Norden gekommen waren. Die Krähen ruhten sich nach ihrer langen Reise im Gras aus und sahen aus wie willkürlich hingeworfene Dominosteine.
Dann ging er zum Freibad Petýnka, doch das Wasser im Schwimmbecken war bereits abgelassen, und die Jungs waren auch dort nicht.
Sie waren auch nicht beim Hotel Pyramide, auch nicht in der Nähe von Dřinopol oder in der Straße oberhalb der Veterinärstation, und er sah sie auch nicht bei den Neubauten am Hang oberhalb der Bělohorská-Straße. Er ging sogar bis zur Kirche der Heiligen Margarete und erklomm die Klostergärten bis zu den ersten Plattenbauten des Petřín-Bergs. Er wollte schon nach Hause laufen, enttäuscht, dass er die Jungs nirgendwo angetroffen hatte, da fiel ihm plötzlich ein, dass er an einem wichtigen Ort nicht gewesen war: dem verlassenen Garten! Er machte kehrt und lief mit Olík, der ihm an den Fersen klebte, zur Wand mit der geheimen Tür.
Sie öffnete sich leicht und quietschte gar nicht, als ob sie jemand neulich erst geschmiert hätte. Und dann hörte Josef Stimmen. Es waren die Stimmen von Máchal, Hnízdil und Šíša. Josef freute sich sehr, als er die Jungs hörte, und wollte schon wie gewöhnlich rufen: Hey, Jungs! Fast hätte er schon gewunken, sich auf sie gestürzt oder sie erschreckt, doch dann hörte er noch eine Stimme, und zwar die von Helena Bajerová. Josef zischte Olík zu, er solle doch kurz warten, und schlich langsam und vorsichtig immer näher zur Gartenlaube, dorthin, von wo die Stimmen kamen.
Über dem Eingang hing ein Schild, das einen gemalten Tiger mit riesigen Krallen darstellte und die Aufschrift Tigerkrallen trug. Josef traute sich nicht weiter. Es beschlich ihn das Gefühl, dass er fremdes Terrain betreten hatte und er mit den Jungs so schnell nicht wieder Fußball spielen würde.
»Und jetzt der Vertrag«, sagte Helena und fing an, langsam die Rolle des an den Kanten kunstvoll abgefackelten Papiers aufzudrehen.
Máchal, Hnízdil und Šíša blickten sie unterwürfig an und lechzten nach jedem ihrer Worte. Helena genoss diesen ernsten und feierlichen Augenblick sehr.
Josef genoss diesen Augenblick nicht so sehr, nachdem er sich mit Olík mucksmäuschenstill im Gebüsch versteckt hatte. Olík wiederum schon, denn er fand unter dem Zwetschgenbaum einen vergessenen Knödel – würde ihn jemand anderer finden, so könnte er denken, dass Zwetschgenknödel direkt von den Bäumen fallen – und er ließ sich ihn schmecken.
»Hiermit gehöre ich dem Bund der Tigerkrallen an. Er ist für immer und lässt sich nicht lösen«, las Helena vom Pergament ab und schaute ein wenig streng zu Máchal, Hnízdil und Šíša hinüber, als ob sie daran zweifelte, dass die Jungs ihr Wort wirklich halten würden. Aber so, wie sie schauten, sah es aus, als ob sie treu ergeben wären bis ans Ende aller Zeiten.
»Die Tigerkrallen werden gegen alle Feinde und Verräter kämpfen. Mit meiner Unterschrift bestätige ich, mit allem einverstanden zu sein und werde mich später nicht herausreden, von etwas nicht
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