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Josef und Li: Roman (German Edition)

Josef und Li: Roman (German Edition)

Titel: Josef und Li: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Vovsova
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wäre, das Herr Klička mit seinen
eigenen Händen geschaffen hatte. Und dabei war es Josef, der vor Jahren dieses herrliche Fleckchen entdeckt hatte, als ihm damals im Auto schlecht wurde und Herr Klička anhalten musste, damit Josef frische Luft schnappen konnte.
    Frau Kličková fand eine ebene Fläche, breitete darauf das Tischtuch aus und fing an, alles aus dem Korb herauszuholen, was sie daheim hineingelegt hatte – Tassen, Teller, Servietten, Besteck, die Thermoskannen, das Hähnchen, den Kuchen und die Schildkröte, die durch wundersame Weise in den Korb gelangt war – wahrscheinlich hatte sie Frau Kličková versehentlich eingepackt und mit dem Laib Roggenbrot verwechselt, welcher wohl noch zu Hause lag.
    Währenddessen holte Herr Klička die Fahrräder vom Dachgepäckträger und Marta half ihm dabei, keine Kratzer in die Karosserie zu machen. Und als die Räder endlich unten waren, stiegen Marta und Herr Klička auf und fuhren los, Richtung Wald.
    »Wir fahren ein wenig spazieren! Ich zeige Marta die Vogelbucht! «, trug der Wind mit einiger Verzögerung die Stimme von Herrn Klička zu Frau Kličkovás Ohren. Noch bevor Frau Kličková etwas erwidern konnte, verschwanden die beiden um die Ecke. Kaum eine Weile später hörte man vom Flussufer ein grauenerregendes Gebrüll. Frau Kličková blickte in die Richtung und sah, wie sich Josef und Vendula um etwas stritten.
    Doch sie beschloss, einmal den Dingen ihren freien Lauf zu lassen. Sie schenkte sich Tee ein, setzte sich auf die Decke und versuchte, an nichts zu denken. Sie betrachtete den gemächlich dahinfließenden Fluss, ließ all ihre Sorgen, Nöte
und unangenehmen Gefühle, die sich in letzter Zeit angehäuft hatten, vom Strom hinwegtragen und fühlte sich allmählich immer wohler.
    Josef hingegen fühlte sich überhaupt nicht wohl. Vendula stand barfuß auf der Sandbank und hielt mit zwei Fingern das Geheime Heft der Tigerkrallen über der Wasseroberfläche. Es genügte, nur den Daumen und den Zeigefinger zu lösen, und schon würde das Heft im Wasser landen. In ihren Augen flackerten böse Funken und sie zwang Josef, Abbitte für all das Unrecht zu leisten, welches er ihr je angetan hatte.
    Josef aber hatte überhaupt keine Lust darauf, und so beugte sich Vendula noch weiter über den Fluss und begann, bis drei zu zählen. Und als sie schließlich bis zwei und drei Viertel gezählt hatte, und Josef sich immer noch nicht entschuldigte, ja mehr noch, es sah so aus, als ob er sie samt Heft ins Wasser schubsen wollte, da glitt sie plötzlich an ihm vorbei und rannte am Ufer entlang flussabwärts.
    Sie bahnte sich ihren Weg durch das dichte Gestrüpp und Josef blieb ihr wie ein wildes Tier auf den Fersen. Sie hatte ihn wohl noch nie so wild geworden gesehen. Doch sie wollte sich unter keinen Umständen ergeben.
    Und dann tauchte nach einer der Biegungen des Flusses ein kleines Boot auf. Es lag am Ufer vor Anker und war am Rumpf einer struppigen Weide festgebunden, genau wie damals. Als ob die Zeit stehen geblieben wäre. Als ob im Laufe der paar Jahre, seitdem Vendula das letzte Mal dort gewesen war, überhaupt nichts passiert oder als ob alles immer noch beim Gleichen wäre, sich alles wiederholen würde, immer wieder rundherum, wie die Kreise im Wasser.
    Vendula band blitzschnell das Boot vom Baum und stieß es vom Ufer ab. Ein Reiherpärchen flog aufgescheucht aus dem Schilf und erhob sich mit wildem Flügelschlag über die Wasseroberfläche, genau wie damals.
    Es schien, als hätte Vendula ihren Bruder abgehängt. Aber Josef tauchte rechtzeitig aus dem Gebüsch auf, um noch auf das kleine Boot aufzuspringen. Es schaukelte wild und drohte umzukippen. Vendula tauchte allerdings geistesgegenwärtig eine Kante des Heftes der Tigerkrallen ins Wasser und schrie: »Noch einen Schritt weiter und du darfst dich davon verabschieden!«
    Das klang recht überzeugend, denn Josef blieb auf halbem Weg stehen und setzte sich sogar. Das Boot hörte auf zu wanken und trieb ruhig mit dem Strom dahin. Es verschwand hinter der nächsten Biegung des Flusses, und dann noch hinter der nächsten.
    Als Frau Kličková von ihrem langen Gedankenflug wieder zurück zur Erde kehrte, sah sie am Ufer statt ihrer Kinder nur Vendulas Schuhe. Dieser Anblick entsetzte sie im höchsten Maße und sie lief gleich etwas flussabwärts und rief mit flehentlicher Stimme nach Vendula und Josef: » Vendulaaa … Jooosef!«
    Doch statt einer Antwort quakten nur ein paar Enten gereizt aus dem

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