Josef und Li: Roman (German Edition)
Sessel an und einen Augenblick sah es so aus, als ob er versteinert wäre.
Frau Kličková dachte schon, dass ihm der Stoff nicht gefallen würde und wieder schienen sich schwarze Gedanken über ihr zusammenzubrauen. Doch da packte sie Herr Klička, zog sie an sich, fing an, sie zu küssen und sich mit ihr im Kreis zu drehen. Er hüpfte durch die Werkstatt und brüllte, Frau Kličková sei die fabelhafteste Frau auf diesem Planeten, sein Liebchen, Schnäuzchen, Vögelchen, Blümchen und weiß der Geier was für -chens noch. Herr Klička bemühte sich in solchen Situationen um besonders originelle Kosenamen, aber wie man sieht, gelang ihm das nicht besonders. Als das einige Zeit so weiterging und Herr Klička Frau Kličková umarmte, wie auch anders herum, wagte es Josef, unauffällig zu hüsteln, damit man auf ihn aufmerksam wurde, und sagte: »Ähm, ähm, meinst du, dass es heute Mittag etwas zu essen geben könnte, Mami?«
Frau Kličková glotzte Josef an, als ob ihr die Heilige Jungfrau persönlich erschienen wäre, als ihr plötzlich einfiel, dass bereits Mittag vorbei war und sie Frikadellen machen wollte. Noch am Morgen hatte sie sich vorgestellt, wie knusprig und saftig sie wären, wie gut sie sich zu Kartoffelpüree und Birnenkompott machen würden. Doch es blieb nur bei dieser Vorstellung, denn im Kühlschrank lag nur ein angetauter Klumpen Hackfleisch. Frau Kličková blickte ihn verzweifelt an, doch dann erinnerte sie sich, dass Vendula ja zu Hause war. »Frag sie doch, ob sie dir etwas kocht. Zum Bespiel Rührei, das kann sie doch so gut.«
»Ich bin doch nicht deine Dienstmagd«, giftete Vendula Josef an, als er ihr die Nachricht von Frau Kličková übermittelt
hatte. Vendulas Schulfreundin Bára war gerade zu Besuch, was sie zum Anlass nahm, Josef noch schlechter als sonst zu behandeln. Bára bot sich sofort voller Fürsorge an, Josef etwas zu kochen: »… wenn deine böse Schwester sich so sträubt, denn kleine Jungen müssen in dem Alter viel essen, um groß und stark zu werden.« Josef spürte, dass Bára es nicht ernst meinte, und schlug daher das verlockende Angebot aus. Er tat gut daran, denn man hörte noch lange danach lautes Gelächter aus Vendulas Zimmer, aber vielleicht lachten die beiden auch schon über etwas völlig anderes.
Bis auf das angetaute Hackfleisch war nur noch ein Ei im Kühlschrank. Josef brach es auf, schlürfte das flüssige Innere aus und klaute dann noch der Schildkröte ein Salatblatt vom Teller. Das stärkte ihn und schon bald darauf kam ihm die Idee, wie er Helena Bajerová vollkommen entwaffnen könnte und sie ihm auf Anhieb einen Kuss oder gleich zwei oder drei geben würde.
Er erinnerte sich nämlich an die geheime Schublade im Schreibtisch seiner Mama. Frau Kličková bewahrte darin alle möglichen Schätze auf, jedenfalls wenn man Sachen wie eine entwertete Kino-Eintrittskarte, eine gepresste Löwenzahn-Blume, eine Figur aus Mensch ärgere dich nicht, die Verpackung der Kaugummi-Marke Pedro, eine Ansichtskarte aus dem Ferienlager Nepomuk von irgendeinem Peter B. oder eine Ameise als Schätze bezeichnen konnte. Letztere kam allerdings rein zufällig zu den Schätzen, und als Josef die Schublade herauszog, krabbelte die Ameise schnell heraus.
Erst weiter hinten, zwischen getrockneten Erbsen, Geburtsurkunden und anderen Dokumenten ertastete er das, wonach
er suchte. Es war ein Ring, den Frau Kličková von ihrer Mutter geerbt hatte, und die wiederum hatte ihn von ihrer Mutter.
Als Josef ihn ins Licht hielt, funkelte der Edelstein am goldenen Ring so stark, dass Josef die Augen zusammenkneifen musste. Die Oma von Frau Kličková wäre bestimmt damit einverstanden gewesen, wenn Josef Helena den Ring geben würde. Sie hätte höchstens gefragt, ob Helena ein braves und ordentliches Mädchen sei und ob er sie wirklich gern habe, und er würde ohne Zögern antworten, ja, sie gefiele ihm seit September. Und dann würde die Oma von Frau Kličková wahrscheinlich sagen, dass Saschenka, das heißt also Frau Kličková, den Ring sowieso nicht trüge, nicht einmal ins Theater würde sie in anlegen, sie würde also gar nicht bemerken, dass er aus der Schublade verschwunden war.
Josef packte den Ring sofort in ein Tuch, steckte ihn in die Tasche und hatte keinerlei Gewissensbisse. Er hätte auch gar keine Zeit dafür gehabt, denn es war schon fast halb zwei und gleich würde der Nachmittagsunterricht beginnen.
Trotzdem blieb er noch eine Weile im Hof stehen. Denn ihm
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