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Josef und Li: Roman (German Edition)

Josef und Li: Roman (German Edition)

Titel: Josef und Li: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Vovsova
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Zeit in Anspruch, sodass die Jungs eine halbe Stunde zu spät in die Schule kamen. Die Frau Lehrerin prüfte gerade Helena Bajerová in Mathematik an der Tafel und war dermaßen über sie verärgert, dass sie gar nicht bemerkte, wie die Jungs zu ihren Bänken schlichen.
    Dafür bemerkte sie sehr genau Helenas neuen Rock. Eigentlich dachte sie zunächst, dass Helena an diesem Tag vergessen hätte, einen Rock anzuziehen, doch dann musste sie feststellen, dass der gerade zwei Zentimeter lange Stoffstreifen, der unter ihrem Hemd hervorlugte, ein Rock war.
    Sobald die Jungs Platz genommen hatten, fingen sie an, Helena einzusagen. Sie drängelten, wer ihr schneller und besser einsagen würde, sodass Helena nur ein Stimmengewirr hörte, und statt »fünfzig Tonnen« »fünfzig Wonnen« verstand. Dafür bekam sie von der Frau Lehrerin eine Fünf.
    »So so, der Josef isst heimlich zu Mittag und daheim tut er so, als ob er vor Hunger sterben würde«, wunderte sich Vendula, als sie sah, wie Josef mit Máchal, Hnízdil und Šíša in die Schulkantine stürzte. Sie sah aber nicht mehr, wie ihn die Schulköchin wieder aus der Kantine hinauswarf. Wer nicht zahlte, hatte in der Kantine nichts verloren.
    Helena setzte sich mit Máchal, Hnízdil und Šíša an den Fenstertisch und es schien überhaupt nicht so, als ob ihr Josef irgendwie fehlen würde. Sie lachte über alles, was ihr die Jungs erzählten, und ihr Blick verirrte sich nur ab und zu unauffällig in Richtung Eingang. Sie wollte prüfen, ob Josef immer noch dort stand. Und er stand noch eine ganze Weile dort, und man sah ihm an, dass ihm die lärmende und nach nassen Lumpen stinkende Kantine noch unerreichbarer vorkam als das ganze funkelnde Restaurant im Hotel Pyramide mit all seinen Nuni-Burgern. Schlussendlich konnte er doch seinen Blick von Helena und den Jungs losreißen und ging zur Garderobe, um dort auf sie zu warten.
    Wenn jemand vorbeigegangen wäre, der nicht wusste, dass dies eine Schule war, so hätte er denken können, Josef wäre ein Gefangener. Ein Gefangener oder irgendein gefangenes Tier. Josef blickte wie ein Gefangener drein, also wie ein verzweifelter Gefangener oder ein verzweifeltes, gefangenes Tier. Und zu allem Überdruss sahen auch die Garderoben wie Gefängniszellen aus. Sie waren wie Käfige aus Draht, mit Türen aus Draht. Josef saß schlapp auf der Bank – wie ein Hund, den man aus dem Haus gejagt hatte.
    Erst als er die fröhlichen Stimmen der Jungs und von Helena hörte, raffte er sich auf, und ihm kam eine Idee. Er steckte
seinen teuren Kuli schnell in die Tasche von Helenas rotem Mantel. Es war kein gewöhnlicher Kuli. In dem durchsichtigen Röhrchen war ein dickflüssiges violettes Meer, und darauf schwamm ein Dampfer, der, wenn man den Kuli waagrecht hielt, in der Tinte verschwand, und wenn man den Kuli wieder hochhielt, dann erschien er wieder in all seiner Schönheit auf der Wasseroberfläche. Josef stellte sich vor, dass auf dem Dampfer winzige Matrosen lebten, die wüste Flüche von sich gaben, Rum tranken und Skorbut hatten. Josef dachte, Skorbut wäre so etwas wie eine kleine Kanone oder Kautabak. Erst viel später las er irgendwo, dass Skorbut eine Krankheit war, die vom Mangel an Vitamin C kam und bei der ganze Stücke Fleisch vom Körper fielen.
    Und jetzt hatte Helena diesen Kugelschreiber in der Tasche ihres roten Mantels und Josef konnte es kaum erwarten, dass sie dieses Geschenk entdeckte. Und es dauerte nicht lange und Helena steckte ihre Hand in die Manteltasche. Sie zog den Stift heraus und sagte überrascht: »Na sowas, ein Kuli mit einem Dampfer drin! Wo kommt der denn her?« Es schien ihr wohl zu gefallen, sich dumm zu stellen und Josef so auf die Folter zu spannen, denn den Kuli mit dem Dampfer kannte doch jeder in der Klasse. Und als es fast so aussah, dass Helena sagen würde: »Josef, mein Liebster, tausend Dank, das ist das allerschönste Geschenk auf der Welt, das ich je bekommen habe …«, da legte sie den Stift auf die Bank und sagte geringschätzig: »Wahrscheinlich gehört der irgendeinem Erstklässler …«
    »Aber das ist doch Josefs Stift!«, rief Šíša, denn er mochte Josef und wollte ihm helfen.
    »Echt? Der gehört dir?«, fragte Helena in einem Ton, als ob sie gerade etwas sehr Peinliches über Josef erfahren hätte.
    Um nichts in der Welt würde sich Josef jetzt zu dem Stift bekennen. Er schnappte sich seine Tasche und wollte so schnell wie möglich hinaus, ins Freie, einfach nur laufen und immer

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