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Josefibichl

Josefibichl

Titel: Josefibichl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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oder war es ihm ernst mit dem, was er da sagte und was Inhalt des kurzen, aber umso eindrucksvolleren Filmchens gewesen war? »Sie meinen das alles so, oder?«
    »Sehen Sie.« Veit Gruber stand auf und ging zum Panoramafenster, durch das man über das gesamte Tal schauen konnte. »Das hier ist ein schrecklicher Ort. Schrecklich schön.« Er deutete auf die gegenüberliegenden kalkgrauen Berge von Dreitor – über Alp – bis Zugspitze. »Aber auch schrecklich zerrissen. Zerrissen zwischen diesen beiden Ortsteilen, die einmal unabhängige stolze Dörfer mit unterschiedlicher Geschichte waren. Zerrissen zwischen Land und Stadt. Zerrissen zwischen Gestern, Heute und Morgen. Zwischen Sommer und Winter. Alt und Jung. Tradition und Moderne. Dieses Tal braucht nicht immer teurere Wintersportveranstaltungen auf immer weniger Schnee. Dieser Ort braucht eine Vision, die länger hält als ein paar Wochen Olympia.«
    Mehr musste Veit Gruber nicht sagen. Wer für diese Vision zuständig war und wie sie auszusehen hatte, war aus dem James-Cameron-Streifen klar hervorgegangen.
    Dennoch fuhr Gruber fort: »Spirit Of The Alps – da wird dieses Tal, ach was, ganz Oberbayern wird endlich ins einundzwanzigste Jahrhundert gebeamt. Die Welt wird auf Garmisch-Partenkirchen schauen. Und wird kommen, um Geist, Seele und Körper zu erfrischen. Zumindest diejenigen, die es sich leisten können. Keine Rentner mehr, die in Bussen angekarrt werden, um in der Spielbank ihre paar Kröten in den einarmigen Banditen zu werfen, und die sich ansonsten ein Fachinger auf zwei Abende aufteilen. Keine Münchner Tagestouristen mehr, die hier mit ihren Porsche Cayennes samstagmorgens reinrollen, ihre Rhodesian Ridgebacks in den Wald kacken lassen, beim McDrive einen Burger verschlingen, das Papierl auf die Straße schmeißen und dann wieder heimstauen. Die die Straßen verstopfen und sich über den von ihnen selbst verursachten Stau auch noch aufregen. Kein russisches Billigurlaubervolk mehr, das sich besäuft bis zum Verlust der Muttersprache und dann das Hotelzimmer vollkotzt. Nein, dieser Ort wird sich ändern. Er wird bald in einem Zug mit St. Barth, der Costa Smeralda und Martha‘s Vineyard genannt werden. Hier werden sich diejenigen entspannen, die mit ihren Entscheidungen den Lauf der Welt beeinflussen – Präsidenten, Magnaten, Potentaten.«
    Schneider war jetzt überzeugt: Dieser Veit Gruber meinte es tatsächlich ernst und spann obendrein. Aber war es nicht so, dass solche »Spinner im positiven Sinn«, wie die Zeitungen sie gern nannten, Dinge vollbrachten, zu denen der Rest der Menschheit nicht fähig war? Schneider bekam allmählich so etwas wie Respekt vor dem Mann, den er zehn Minuten zuvor noch als Gschaftlhuber einsortiert hatte. Das war er wahrscheinlich auch, aber doch einer mit einer auf einer Vision fußenden Gschaftlhuberei. Allemal besser als die landesübliche miesepetrige Gschaftlhuberei, die das Gestrige lobte, das Heutige verdammte und das Morgige fürchtete.
    Schneider war Profi genug, um sich von dem Verkaufstalent Grubers nicht um den Finger wickeln zu lassen. Er kam zurück auf sein eigenes Business: Er hatte eine Mordsache aufzuklären, und der Mann, der sich ihm gegenüber am Panoramafenster – zufällig? – so postiert hatte, dass die frühe Nachmittagssonne einen Heiligenschein um sein spärlich behaartes Haupt zeichnete, hatte genug Ansatzpunkte geliefert, um seinen Namen auf der Verdächtigenliste nach oben rücken zu lassen. Ganz nach oben.
    »Wo waren Sie gestern Nachmittag?«
    »Jetzt kommen Sie mir also doch noch so.« Gruber setzte den Dackelblick auf, mit dem er im John‘s Club Samstag für Samstag die Monis und Vronis aus ihrem Hausfrauendasein in sein Bett zu schmachten versuchte.
    Schneider erhob sich von der Couch, damit ihn sein Gesprächspartner nicht weiterhin von oben ins Visier nehmen konnte. Hatte dieser Gruber etwa geglaubt, dass er einen leitenden Beamten des Bayerischen Landeskriminalamts durch ein wenig Flimmerkistenzauber von seinem Ermittlungsweg abbringen konnte? Ab sofort war er wieder Chef im Ring.
    Veit Gruber hatte aber gar keine Lust, sich verhören zu lassen. Er hatte seine schöne Vision schon sehr wichtigen und vor allem sehr reichen Menschen präsentiert, und die meisten waren davon sehr angetan gewesen. Und wollten mitmachen. Investieren. Nur rund zwei-, höchstens dreihundert Millionen brauchte er. Für den Anfang. Wenn man bedachte, was so mancher Baulöwe, Softwaretycoon oder

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