Josefibichl
in zehntausend Jurys gesessen, um anderen Preise zu verleihen, aber ich selbst hab nie einen bekommen. Das geht so nicht.«
»Ja, ich verstehe«, stammelte Pfeiffer.
»Und da habe ich gestern einen Tipp bekommen. Eine unglaubliche Geschichte. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Sie haben selbst gelesen, um was es geht.«
»Die Geschichte vom toten Mönch im Redaktionssystem, ich verstehe.«
»Nichts verstehen Sie, Herr Pfeiffer. Gar nichts. Noch nicht. Es geht um viel mehr als das, was ich heute Nacht geschrieben habe. Aber das muss Schicht für Schicht ans Licht kommen. Darum werde ich weiter daran arbeiten. Und ich möchte, dass Sie mich dabei protegieren, so wie ich Ihnen geholfen habe, den leitenden Job hier zu bekommen.«
Bei Pfeiffer machte es klick – er war endlich dahintergekommen, was dieser Auftritt hier sollte. Der alte Weißhaupt war nicht verrückt geworden. Natürlich glaubte er dem alten Schlawiner keine Silbe. Das alles hier war pures Schauspiel. Theater. Mein Gott, dieser Kurt Weißhaupt. Die Katze lässt das Mausen nicht. Wahrscheinlich ging es wieder mal um eine junge Dame, die attraktiv, aber weitgehend talentfrei war und der beim Einstieg in den Journalismus unter die Arme gegriffen werden musste.
Den alten, aber offenbar immer noch virilen Mann zu decken war Ehrensache. Pfeiffer hätte eher die Zunge drüben in der Druckerei in die Papierschneidemaschine gesteckt, als Weißhaupt zu verraten.
Norbert Pfeiffer nickte und sagte nur: »Okay, Boss.«
Eine Spur zu westernmäßig, fand Weißhaupt. Er wusste nicht, warum, aber der grundskeptische Pfeiffer machte ihm am Ende seiner Darbietung den Eindruck, als habe er ihm die Story abgekauft. Ob er Pfeiffer vertrauen konnte oder nicht: Er brauchte einen Verbündeten in der Redaktion, um mit fremdem Kürzel eine Geschichte auf den Onlineseiten der Zeitung zu publizieren, die die Agenturen und vielleicht auch die Teilzeitkorrespondentin in Garmisch-Partenkirchen in der Printausgabe ganz anders brachten. Norbert Pfeiffer würde das alles unter Erfindung einer weiteren Ausrede als genehmigt abhaken.
Bevor er sich mit einem einfachen »Dankeschön« von Norbert Pfeiffer verabschiedete, bemerkte er, dass er immer noch dessen Verlagszugangskarte an der ausgezogenen Schnur in der Hand hielt. Er ließ die Karte zurück an Pfeiffers Gürtel flippen.
Pfeiffer war sehr glücklich, dass die Karte bei der rüden Behandlung ganz geblieben war. Da über sie auch die Speisen und Getränke in der Kantine des Hochhauses abgerechnet wurden, war sie zum wichtigsten Utensil des modernen Zeitungsschaffenden geworden.
Mit jeder Minute, die verging, wurde es wahrscheinlicher, dass Karl-Heinz Hartinger erkannt und verhaftet wurde. Er hatte sich mit seiner Flucht keinen allzu großen Gefallen getan, denn mittlerweile war er auf dem Radar sämtlicher Polizisten im Freistaat, dafür hatte der von Hartinger düpierte Ludwig Bernbacher gesorgt. Die Fahndung lief bundesweit und über Interpol auch in den Nachbarländern, das hatte Bernd Schneider erledigt. Da Garmisch-Partenkirchen nur wenige Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt lag und es von dort nur eine Fahrstunde nach Italien war, konnte niemand ausschließen, dass sich Hartinger in Richtung Süden abgesetzt hatte. Gleiches galt natürlich für die drei anderen Himmelsrichtungen. Seit der Umsetzung des Schengener Abkommens konnte man vom Nordkap bis Sizilien und vom Atlantik bis zum Schwarzen Meer reisen, ohne einmal von Zoll oder Polizei behelligt zu werden, solange man nicht durch Raserei auffiel. Was für die Bürger Europas ein Segen war, war für diejenigen, die für die Sicherheit dieser Bürger sorgen mussten, ein Albtraum.
Hartinger saß aber weder am Nordkap noch in Sizilien. Er versuchte aus der Pizzeria in Bad Heilbrunn bei Tölz Kontakt mit Weißhaupt aufzunehmen. Der hatte sein Handy wie immer nicht eingeschaltet. Eine Nachricht zu hinterlassen war so riskant wie unnötig, denn Weißhaupt hörte seine Mailbox nie ab, und Hartinger wollte nicht für jemanden einen Hinweis auf seinen Aufenthaltsort hinterlassen, der die Mailbox unbefugt abhörte. Womöglich war sein Kontakt zu Weißhaupt den Ermittlern inzwischen bekannt. Er selbst hatte nie daran geglaubt, dass alle möglichen Formen des Lauschangriffs nur gegen Terroristen und Drogendealer eingesetzt wurden. Daher war er mit seinem Mobilfunkverhalten extrem vorsichtig.
Er checkte auf dem winzigen Bildschirm des arabischen Leibwächterhandys
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