Josefibichl
die Nachrichten zu seinem Fall. Das machte auf dem BlackBerry, der nicht mehr den Stand der Technik repräsentierte, zwar wenig Spaß, aber zumindest fand er so heraus, dass nach ihm gefahndet wurde, was ihn nicht überraschte, und dass ansonsten noch nichts Weiteres in diesem Fall veröffentlicht worden war.
Es war Irrsinn, in einem öffentlichen Lokal herumzusitzen, während sein Foto auf dem Titel der Bild-Zeitung prangte. Also ließ er einen Zehner auf dem Tisch liegen und verschwand aus der Pizzeria – ohne zu bemerken, dass das Ladegerät noch in der Steckdose neben seinem Tisch steckte.
»Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie im Olympiaort unter der Zugspitze aufs Allerherzlichste! Es ist mir eine große Freude, dass Sie so zahlreich erschienen sind. Wobei . . . Eine Freude, nein, es ist natürlich ein trauriger Anlass. Aber eine Freude natürlich, dass Sie gekommen sind. So zahlreich. Danke auf alle Fälle.«
Der Erste Bürgermeister Hans W. Meier zeigte nicht die gewohnte Souveränität, das merkten die leitenden Angestellten der Marktgemeinde, die neben ihm auf dem Podium im großen Saal des Garmisch-Partenkirchner Kongresshauses saßen.
Meier versuchte die Kurve zu bekommen, indem er seine Begeisterung darüber, dass er gerade vor einem kleinen Ausschnitt der Weltpresse sprach, zügelte und seine Trauermiene aufsetzte, die er auf ungezählten Begräbnissen Garmisch-Partenkirchner Honoratioren perfektioniert hatte.
»Ein furchtbares Unglück ist passiert. Ein Mensch ist durch die Hand eines anderen Menschen zu Tode gekommen. Wir, unsere Gemeinschaft in diesem wunderbaren Tal, wir werden dies aber nicht dulden. Ich werde diese gemeine Tat aufklären und den Täter zur Verantwortung ziehen. Ich kann Ihnen hier und heute die glückliche Mitteilung machen, dass wir die besten Kräfte der bayerischen Sicherheitsbehörden an diesem schönen Ort zusammengezogen haben, um den Täter dingfest zu machen. Die erfahrenen und besonnenen Männer und Frauen der Polizeiinspektion Garmisch-Partenkirchen haben sogleich den Leichenfundort gesichert und die Bergung des Toten überwacht. Seit gestern Abend ruhen die Beamten unserer Polizei nicht eine Sekunde. Sogar die Hundestaffel wurde heute Vormittag eingesetzt. Auch auf mein Anraten hin, wenn ich das in aller Bescheidenheit, meine Damen und Herren, also sozusagen so sagen darf, wurde sogar das Bayerische Landeskriminalamt unmittelbar nach Auffinden des Toten hinzugezogen. Ein Spezialteam von jungen und spezialisierten Spezialistinnen und Spezialisten unterstützt unermüdlich unsere tüchtige örtliche Polizei.
Und – sehr geehrte Damen und Herren, das ist die beste Nachricht des heutigen Nachmittags – wir stehen auch bereits unmittelbar vor Aufklärung des Falls. Ein unmittelbar der Tat verdächtiger Mann, der bereits als grenzwertig aufgefallen ist, steht . . . äh, ja, ebenfalls unmittelbar vor seiner Verhaftung.
Kurz und gut: Garmisch-Partenkirchen trauert um den toten Mönch Engelbrecht . . .« Ein Räuspern neben ihm ließ ihn einen hastigen Blick auf seine Notizen werfen. »Äh, Engelbert. Der Mord an einem Mann des Glaubens ist das schrecklichste Verbrechen, das wir uns hier in unserem schönen Tal vorstellen können. Aber – und bitte vergessen Sie auch dies nicht in Ihren geschätzten Berichten zu erwähnen – Garmisch-Partenkirchen ist sicher. Ist sauber. Der Mörder ist bekannt, und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis er gefasst ist. Es war die Tat eines Irren, der eigentlich nicht aus unserer Gemeinde kommt. Also: schon lange nicht mehr. Es bestand zu keiner Zeit irgendeine Gefahr für die Mitbürger dieses unseres schönen Tales – äh, abgesehen von Bruder Engelbert –, und vor allem nicht für die Touristen, die wie jedes Jahr sommers wie winters so gern in unser . . . äh, schönes Landl kommen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Alles Weitere zu diesem Fall darf Ihnen mein Pressesprecher, Herr Hartsteiner, hier rechts neben mir beantworten. Sie werden verstehen, dass der Platz eines Bürgermeisters in einer Situation wie dieser inmitten seiner Gemeinde ist. Herzlichen Dank noch einmal für Ihr zahlreiches Erscheinen und . . . äh, vergelt‘s Gott.«
Darauf erhob sich Bürgermeister Meier, nickte in die Dunkelheit des Saals und verschwand durch den Bühneneingang nach draußen auf dem Parkplatz des Kongresshauses, wo sein Fahrer wartete.
»Nee, nee, so leicht kommen Sie mir nicht davon!« Seine Kollegen in München, Hamburg
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