Josefibichl
und Berlin hätten Axel Peininger nicht den »Schnellen Lex« genannt, hätte er sich nicht wie ein Wiesel durch die Sitzreihen des Kongresssaals gewunden, um durch den seitlichen Notausgang praktisch zeitgleich mit dem Ersten Bürgermeister auf dem Parkplatz anzukommen. Er wurde vom gleißenden Sonnenschein kurz geblendet, sah aber fünfzehn Meter weiter links den A6 mit dem Kennzeichen GAP – BM 1 und stellte den Ortsvorsteher, bevor dieser sich in den Fond der Limousine wuchten konnte. »Herr Bürgermeister, warum hat der ortsbekannte Kirchenschänder Hartinger den Mönch ermordet, was glauben Sie?«
»Nun, wissen Sie«, lavierte Hans W. Meier herum, mit dem Rücken an seinen Dienst-Audi gepresst, »so ganz erwiesen ist das ja noch nicht, müssen Sie zugeben.«
»Erwiesen oder nicht, er war am Tatort und ist seither verschwunden, die Polizei sucht ihn, oder?«
Bürgermeister Meier holte tief Luft. »Ich möchte Ihre Mutmaßung aufs Schärfste zurückweisen, dass in diesem unserem Landl ein Mörder frei herumläuft. Unser Tal ist sicher. Wir liegen in der Verbrechensstatistik ganz unten und in der Aufklärungsstatistik ganz oben. Niemand muss aus irgendeinem Grund Angst haben, nach Garmisch-Partenkirchen zu kommen. Die Hochwassergefahr an Kanker, Partnach und Loisach wurde in den vergangenen zehn Jahren durch aufwendigste Maßnahmen gebannt. Lawinen werden jeden Winter von den erfahrenen Männern der Bayerischen Bergwacht gesprengt. Kurzum: In Garmisch-Partenkirchen ist es sicherer als in Abrahams Porzellankiste!«
»Das ist ja alles ganz doll, Herr Bürgermeister, aber auch, wenn‘s der Pfaffenhasser nicht gewesen is: Irgendein Mörder läuft doch hier rum, oder?«
»Diese Medien – wenn ich das hier an dieser Stelle mal sagen darf – sehen doch immer nur die Löcher und nicht den Käse. Ist Ihnen aufgefallen, dass unsere Marktgemeinde, die sich im Übrigen, wie Sie sicher wissen, immerhin um Olympische Spiele bewirbt, also Großevents von mehr als internationaler Bedeutung stemmen wir hier, ist Ihnen da vielleicht aufgefallen, dass wir knapp dreißigtausend Einwohnerinnen und Einwohner haben und dass – selbst angenommen, dass der Mönch ermordet wurde und dass der Mörder von hier ist – die Quote von Mördern zu Nichtmördern da bei eins zu dreißigtausend betragen würde? Ich sage hier und heute und mit voller Absicht › würde ‹ , denn wer sagt Ihnen denn, dass – sollte es sich bei dem Todesfall um einen Mord handeln, wohlgemerkt – der Täter – übrigens vielleicht auch die Täterin, ist das denn ausgeschlossen? –, also dass der Täter oder die Täterin unbedingt aus unserem schönen Landl stammen muss? Wissen Sie, wie viele Übernachtungsgäste und Tagesgäste in unserem Tal Ruhe, Erholung und großartige Naturerlebnisse suchen Jahr für Jahr? Millionen Gäste haben wir hier. Wobei – das will ich ganz ausdrücklich so gesagt haben – ich damit natürlich in keinster Weise . . . Sie verstehen mich schon richtig: Unsere geschätzten Kur-und Sportgäste stehen natürlich in keinster Weise in irgendeinem Verdacht.«
Lex Peininger wurde klar, dass es vergebliche Liebesmüh war, einen auch nur halbwegs zitierbaren Satz aus dieser Politikerkarikatur herauszuholen, die da wild darauflosstoiberte. Er drückte in seiner rechten Jacketttasche auf die Stopptaste des Aufnahmegerätes. Zumindest konnte er eine Bemerkung Meiers, sollte an diesem Tag nichts Aufregendes mehr passieren, aus dem Zusammenhang reißen und morgen zur Headline machen: Mönchsmord von Garmisch: War es eine Frau? Er hatte die entsprechenden Worte des Bürgermeisters ja auf Band. Aus einer Frau als mögliche Mörderin und einem ermordeten Mönch ließen sich bei dem Bild, das die katholische Kirche in letzter Zeit von sich in der Öffentlichkeit abgab, pikante Mutmaßungen stricken.
»Wissen Sie, unser Blatt ist grundsätzlich für Olympia in Deutschland. Wir finden das klasse. Wir machen da mit. Sie, lieber Herr Bürgermeister, bekommen Ihre Spiele, wenn es nach uns geht. Nicht die Koreaner, und die Frenchies schon gar nicht.« Peininger konnte sich ein fieses Grinsen nicht verkneifen. »Aber wenn Sie mir nicht ab sofort alle Informationen, die Sie in dieser Sache bekommen, direkt hier auf mein Handy quatschen, dann sorge ich dafür, dass Ihr schöner Ort drei Wochen nicht von unserer Titelseite kommt. Und wir schreiben dann keine Erlebnisaufsätze, wie schön das hier ist. Oder, Susanne?«
Die junge Fotografin war
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