Josefibichl
Puddingcäsar in Fußballclubs oder die eigene Hotelsammlung steckte, war das durchaus vertretbar, wie Gruber fand. Seine Kontakte waren international, ein Parkett, auf dem er Gleichgesinnte traf, die wie er an die überirdische Kraft eines magischen Ortes glaubten, weil sie alle irdischen Dinge bereits besaßen. Und der Schnösel vom LKA, der sich von seinem Auftritt her am liebsten selbst auf einer Vierzigmeterjacht vor Porto Cervo gesehen hätte, sollte seine Vision nicht als über allen anderen Dingen stehend sehen? Der war ihm – Veit Gruber – doch eine Nummer zu gering. Dem war er über.
»Wissen Sie: Wo ich wann war, weiß meine Sekretärin am besten. Sie finden sie oben, im Berggasthof Panorama, dem Kleinod der gutbürgerlichen traditionellen Alpenküche und. . .«
Bernd Schneider platzte der Kragen. Er hatte sich üblicherweise unter Kontrolle, was er als eine seiner besten Eigenschaften empfand. Er behandelte – nach außen hin zumindest – selbst Waffendealer, Vergewaltiger und Kinderschänder mit der angebrachten Ruhe des Profis. Doch bei diesem schmierigen Provinz-J.R. rastete er aus.
»Gruber! Schluss mit diesem Spirit-Hokuspokus. Für mich sind Sie nur eine kleine Wurst, aber keine, die Sie beim Metzger kaufen, sondern eine, die beim Hund hinten. . .«
Weiter kam er nicht, denn zum Glück unterbrach ihn das Vibrieren seines Mobiltelefons in seiner rechten Jeanstasche.
Er wandte sich ab und nahm den Anruf entgegen. »Ja, doch!«
Am anderen Ende meldete sich Claudia Schmidtheinrich. »Sag mal, willst du mich in dieser Zeitungsredaktion verschimmeln lassen?«
»Wie ist die Lage?«, fragte Schneider in dem Versuch, den unüberhörbaren Zorn seiner jungen Kollegin durch Professionalität zu mildern. Doch damit geriet er bei ihr genau an die Richtige.
»Wie die Lage ist? Die Laage? Die Laaage ist, dass ich jetzt drei Stunden Staub gefressen habe in diesem Archiv und mir die ganze Zeit über von einem Volontär mit gepflegter Akne auf die Titten hab glotzen lassen. Das ist die Laaaage.«
Schneider warf einen hastigen Blick auf die Officine Panerai an seinem linken Handgelenk, und sofort war ihm klar, dass es in diesem Moment unmöglich war, vernünftig mit Claudia Schmidtheinrich zu sprechen. Erfahrungsgemäß war seine Partnerin ab zwölf Uhr mittags hungrig, und mit dem Hunger stellte sich bei ihr aggressives Verhalten ein.
Die Panerai zeigte 13 Uhr 20.
Kurt Weißhaupt war am Vormittag mit dem Taxi raus zum SZ-Turm gefahren. Nun stand er im Newsroom, einem die große weite Welt verheißenden Konferenzraum, der vollgepfropft war mit zu einem Oval zusammengestellten Bürotischen, auf denen eine Unzahl Computerbildschirme stand.
Er erinnerte sich noch an die Diskussionen, die es gegeben hatte, als die Süddeutsche in den Turm umgezogen war. Für die Kritiker gehörte eine Zeitung aus einer Stadt in das Herz ebenjener Stadt, nicht in einen Büroturm an der Autobahn.
Das war auch Weißhaupts Meinung, und die hatte er damals allen Geschäftsführern, aber auch Gesellschaftern des Verlages, den alten und den neuen, gepredigt. Er wollte keine Nachrichten herausgeben, die von namenlosen Agenturjournalisten geschrieben wurden und in diesem Newsroom zusammenliefen, um hier von Nachrichtenredakteuren für die Verwertung als Print-, Online – oder SMS-Nachricht sortiert zu werden. Er hatte damals, in seiner großen Zeit, anders gearbeitet, als Reporter der alten Schule, und zum Schluss hatte er in der Stadt und im Land jeden, wirklich jeden gekannt, und zwar nicht nur dem Namen nach.
Er war in den Salons im guten – ach was, im besten Bogenhausen von den Großmächtigen jederzeit empfangen worden, wenn er den Hintergrund eines Bankenskandals hatte in Erfahrung bringen wollen. Er hatte die herzzerreißende Geschichte einer alleinerziehenden Mutter aus Untergiesing abgeliefert, die Gefahr lief, dass man sie drei Tage vor Weihnachten aus der Anderthalbzimmerwohnung warf, weil eine Luxussanierung auch in diesem ehemaligen Glasscherbenviertel anstand. Und wenn er die Story hatte, hatte er auch gewusst, wer in Bogenhausen dafür verantwortlich war und wessen Weihnachtsgeschenke dort durch den Immobiliendeal in Untergiesing noch ein paar Karat schwerer wurden.
Hätte er all diese Kontakte in einem Newsroom machen können? Hätte er die Hinweise, die zu packenden Storys geworden waren, in einem Newsroom erhalten? Wohl kaum.
Stattdessen hatte er nächtelang – und das jahrzehntelang – mit allen
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