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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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wenn ihm das nicht gefällt, gibt es genügend Leute, die bereit sind, ihn undankbar zu nennen .
    Ihn überkam eine große Müdigkeit, eine Art nervöser Erschöpfung. Fünf Jahre nachdem er aufgehört hatte, begann er wieder zu rauchen und sagte sich, es sei ja nur vorübergehend, rauchte aber trotzdem. »Ich kämpfe gegen diese Sucht an«, schrieb er, »aber wie mächtig sie ist! Ich spüre das Verlangen überall, in den Armen, in der Magengrube …« Und dann, in Großbuchstaben: » ICH WERDE SIE BESIEGEN !«
    In Scarborough wurden fünf Araber festgenommen, angeblich weil sie planten, die Fatwa auszuführen. Zafar, der heimwehkrank und nicht zur Schule gegangen war, sah den Bericht in den Mittagsnachrichten und rief an, tat aber, als machte er sich keine Sorgen. Die Polizei behauptete, das Ganze werde nur von den Medien ›hochgespielt‹, wovon er kein Wort glaubte, doch gab er es an Zafar weiter, um ihn zu beruhigen.
    Marianne schrieb einen Brief. »Du hast den Zweifel gesucht und ihn gefunden«, sagte sie. »Und uns hast du dafür getötet.«
    *
    »Fast alles, was in unserem Leben wichtig ist«, hatte er in Mitter nachtskinder geschrieben, »findet während unserer Abwesenheit statt.« Mordbefehle, Mordverschwörungen, Bombendrohungen, Demonstrationen, Anhörungen vor Gericht und politische Machtspiele hatte er dabei nicht gerade im Sinn gehabt, doch drängten sie sich jetzt in sein Leben, als wollten sie beweisen, wie recht der fiktive Erzähler hatte. Es bewegte ihn, zu hören, wie sehr sein Schicksal so viele ihm sympathisch gesinnte Fremde berührte. Der amerikanische Schriftsteller Paul Auster, später ein enger Freund, schrieb ein ›Gebet‹. Als ich mich heute Morgen hinsetzte, dachte ich, so wie jeden Morgen, als Erstes an Salman Rushdie … Und Mike Wallace wollte helfen. Der legendäre Reporter von 60 Minutes erzählte einem Mitarbeiter von Penguin, dass er »ein weiteres Statement wie ›In gutem Glauben‹, in dem Rushdie vielleicht sogar noch ein, zwei Schritte weitergeht« – was immer das heißen mochte –, »persönlich zu Rafsandschani bringen würde. Vielleicht gelingt es so, die Fatwa aufzuheben.«
    Er redete mit Andrew, Gillon und D’Souza und bat sie, die Sache zu verfolgen. »Ich sollte mich nicht daran klammern«, schrieb er ins Tagebuch, »aber die kleinste Aussicht auf Freiheit regt mich dermaßen auf, dass ich mich einfach daran festklammern muss .« Andrew sprach mit Mike Wallace, dann mit Kaveh Afrasiabi, einem wissenschaftlichen Mitarbeiter am Zentrum für Nahoststudien in Harvard. Afrasiabi sagte, er habe bereits mit Kamal Kharrazi, dem iranischen Botschafter bei den Vereinten Nationen, sowie mit Quellen geredet, die ›Verbindung zu Khamenei‹ haben. Und er wiederholte, was Wallace gesagt hatte. Falls er ein ›seinen Prinzipien entsprechendes Statement‹ abgebe, würde Khamenei dies begrüßen und die Fatwa aufheben. Iran suche nach einem Ausweg aus der Krise; Mike Wallace’ Beteiligung sei ein Pluspunkt und wichtig, da Khamenei in den Medien der Vereinigten Staaten ein gutes Bild abgeben wolle, um ›Rafsandschani den Wind aus den Segeln‹ zu nehmen.
    Die Welt verkam zur TV -Show.
    Er wurde gebeten, das Statement auf Video aufzunehmen, damit es von Wallace mit nach Teheran genommen und dort im Fernsehen gezeigt werden konnte; danach würde Khamenei im amerikanischen Fernsehen mit Wallace reden und sagen, was gesagt werden musste. In einigen Tagen wolle man Bescheid geben, so Afrasiabi, ob der Iran bereit sei, diesen Weg einzuschlagen. Ihm gegenüber habe man allerdings angedeutet, dass er eine ›positive Antwort‹ erwarten dürfe. Vier Tage später rief er Andrew an, um zu sagen, er habe ›grünes Licht‹. Als nächsten Schritt schlug er ein Treffen mit Mr Khoosroo vor, Irans erstem Sekretär bei der Mission der Vereinten Nationen.
    Andrew und Frances sprachen miteinander, dann mit ihm. Sie beschlossen, dass es sich lohne, dranzubleiben und vorsichtig weiterzumachen. Konnte dies der Durchbruch sein? Sie wagten es nicht zu hoffen und konnten doch nicht anders. Sie glaubten daran.
    Mike Wallace und Afrasiabi trafen sich mit Andrew in der Agentur. Afrasiabi wiederholte Irans Forderung nach einem Statement des Bedauerns, das als Vorwort in die Taschenbuchausgabe aufgenom men werden sollte ( oje , dachte er, dafür aber hatte man offenbar keine Einwände gegen eine Taschenbuchausgabe), sowie der Gründung eines Hilfsfonds für die Familien jener Menschen, die bei

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