Joseph Anton
›Anti-Rushdie‹-Krawallen ums Leben gekommen waren. Frances D’Souza machte sich Sorgen. Einerseits, sagte sie, gebe es ›Anzeichen‹ dafür, dass der Iran aufgehört hatte, Siddiquis Muslimisches Institut zu unterstützen, und versuchte, in Großbritannien einen moderaten Oberimam einzusetzen. Andererseits, fürchtete sie, könnten die Iraner ein »ganz besonders schmutziges Spiel spielen«. Wenn die Fatwa aufgehoben wurde, endete auch der Personenschutz, und dann könnte er von einer fundamentalistischen Zelle angegriffen werden, die Iraner aber wären in der Lage, jede Verwicklung zu bestreiten. Irgendwann, sagte sie, muss die britische Regierung hinzugezogen werden, um Garantien gegen solch eine Eventualität zu erwirken. Sameen sorgte sich ebenfalls, dass man ihn ermorden könnte, wenn er jetzt aus dem Untergrund kam. Aber welche Alternative blieb ihm? Nie an die Öffentlichkeit zu gehen? Er fühlte sich orientierungslos und verwirrt. Zu viel geschah gleichzeitig, so dass sich kaum noch sagen ließ, was für ihn das Beste war.
Dann brach es in sich zusammen. Die Iraner sagten eine Begegnung mit Mike Wallace ab. Sie wollten sich allein mit Afrasiabi treffen, um zu hören, was bei der Begegnung mit Andrew vereinbart worden war. Und dann – peng! – platzte die Blase, der Traum löste sich in nichts auf. Die iranische UN -Mission verkündete, man müsse sich ›mit Teheran beraten‹. Das würde mindestens zwei Wochen dauern. Sie meinen’s nicht ernst , begriff er. Das Ganze ist ein Witz. Sie wollen nur, dass ich mein Statement abgebe und dann darauf vertraue, dass sie entsprechend reagieren. Ich soll ihnen vertrauen. Ja, es ist ein Witz .
Er hörte auf zu rauchen. Dann fing er wieder an.
In den nächsten Tagen bestritt der Iran, dass man die Fatwa aufheben könne. Khamenei sagte, Rushdie müsse »den britischen Muslimen übergeben werden, damit sie den Gotteslästerer töten können«, das würde die Probleme zwischen Großbritannien und dem Iran lösen. Frances D’Souza trat in der BBC -Sendung Newsnight auf und musste erleben, wie Siddiquis ›Nummer zwei‹, James Dickie, ein schottischer Konvertit, der den Namen Yaqub Zaki angenommen hatte, Killerkommandos nach London einlud. Rafsandschani gab eine Pressekonferenz, um die Wogen zu glätten, bot aber für die Fatwa-Krise keine Lösung an. Und zum ersten Mal offerierte ihm die britische Regierung ein Gespräch mit einem Kontaktmann. Am Wochenende sollte er Duncan Slater treffen, einen hohen Beamten des Außenministeriums. Unterdessen redete er mit John Bulloch, einem Journalisten und anerkannten Nahostexperten vom Independent , der erst kürzlich aus Teheran zurückgekehrt war und bestätigte, dass den Iranern »viel daran liegt, die Krise beizulegen … eine beidseits akzeptable Vereinbarung wird dringend benötigt«. Das Treffen mit Slater aber war eine Enttäuschung. Er hatte keine nennenswerten Neuigkeiten über irgendwelche Initiativen im Hintergrund oder über Regierungsaktivitäten zu berichten. Dennoch fühlte es sich gut an, mit der Regierung in Kontakt zu sein und versichert zu bekommen, dass man auch künftig zu ihm stehen werde. Er hatte einen Punkt erreicht, an dem er selbst für solche Krümel dankbar war.
Die Afrasiabi-Initiative war gestorben. Der Mann aus Harvard hatte eine Liste mit neuen Forderungen geschickt. Für zwölf bis fünfzehn Monate keine weitere Veröffentlichung; zudem: »Rushdie soll einfach sein Statement schreiben und veröffentlichen, was hat er schon zu verlieren?« Außerdem, sagte Andrew, »fürchte ich, dass er Schriftsteller werden will und einen Agenten sucht«. Eine Woche später teilte Kamal Kharrazi, Irans Mann bei den Vereinten Nationen, Mike Wallace mit: »Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt für eine solche Initiative.« Und wieder war ihm ein Weg versperrt.
Es kam zu einem weiteren Treffen mit Botschafter Busby, der diesmal von Bill Baker, FBI , begleitet wurde. Sie baten ihn hinsichtlich seines Besuchs der Vereinigten Staaten um einige weitere Monate Geduld, waren aber herzlich und voller Verständnis. Busby wusste außerdem noch Nützliches zu den Bemühungen Afrasiabis nachzutragen. »Vielleicht«, sagte er, »war es für den Iran der falsche Unterhändler.«
*
Er schenkte Zafar zum elften Geburtstag eine elektrische Gitarre und hörte ihm am Nachmittag zu, wie er sein Spiel mit dem Tonband aufnahm. Nur ein weiterer gewöhnlicher Tag mit dem wichtigsten Menschen in seinem Leben.
Cosima hatte
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