Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
Vom Netzwerk:
außerhalb des Iran‹. Die Briten wussten nicht genau, ob dies ein offiziell gebilligter Plan oder die Operation von Einzelgängern war, doch bereitete ihnen das extreme Selbstvertrauen dieses Killerkommandos größte Sorgen, hatte es doch zugesagt, den Anschlag innerhalb der nächsten vier bis sechs Monate erfolgreich zum Abschluss zu bringen. »Genau genommen geht man davon aus, Sie in weniger als hundert Tagen zu erledigen.« Im Special Branch nahm man nicht an, dass das Haus in Wimbledon bereits enttarnt war, doch hielt man es unter diesen Umständen für das Beste, wenn er schleunigst umzöge. Zafar war ein ›Problem‹; er sollte unter Polizeischutz gestellt werden. Elizabeth war ebenfalls ein ›Problem‹. Es könnte nötig sein, ihn in eine Kaserne zu bringen, damit er das nächste halbe Jahr dort unter Militärschutz lebte. Falls er sich dafür entschied, in ein sicheres Haus des Geheimdienstes zu ziehen, würde man ihn von jedem Kontakt mit der Außenwelt abschneiden. Dies änderte jedoch nichts an der Zusage, dass er sich nach einer neuen dauerhaften Adresse umsehen dürfe. Hatten sie die nächsten Monate erst einmal überstanden, so käme das durchaus in Betracht.
    Die Kaserne lehnte er ab, ebenso das von der Außenwelt abgeschnittene, sichere Haus. Wenn das Haus in Wimbledon nicht enttarnt worden war, gab es keinen Grund, nicht zu bleiben. Warum sollte er mehrere Monatsmieten verlieren und erneut auf Reisen gehen, wenn man nicht davon ausging, dass das Haus ›verbrannt‹ war? Mr Greenups Gesicht zeigte die gewohnt ausdruckslose Maske. »Wenn Sie überleben wollen«, sagte er, »ziehen Sie um.«
    *
    »Dad«, fragte Zafar am Telefon, »haben wir je wieder ein Haus, in dem wir bleiben können?«
    *
    Was, dachte er, wird dies, falls er denn überlebte, für eine wunderbare Geschichte von Liebe und Freundschaft werden. Ohne seine Freunde in eine Kaserne eingesperrt, isoliert und vergessen dem Irrsinn ent gegentaumelnd, oder ein heimatloser Wanderer, der darauf wartete, dass ihn die Kugel seines Attentäters fand. Der Freund, der ihn diesmal rettete, war James Fenton. »Du kannst mein Haus haben«, sagte er, sobald er gefragt wurde, »zumindest für einen Monat.«
    Nach einem überreichen Leben, in dem er unter anderem auf den ersten Panzer des Vietcong aufgesprungen war, der am Ende des Viet namkrieges in Saigon einfuhr, in dem er sich unter das Volk gemischt hatte, das den Sturz von Ferdinand Marcos und seiner Schuhkönigin Ismelda damit feierte, den Malacañang-Palast zu plündern (James selbst nahm Handtücher mit dem Monogramm der Herrscher mit), nachdem er Geld, das ihm der nie verwendete Text für die Originalproduktion des Musicals Les Misérables einbrachte, in eine Krabbenfarm auf den Philippinen investiert hatte und mit dem noch abenteuerlicher veranlagten Redmond O’Hanlon eine ziemlich traumatische Tour nach Borneo unternommen hatte (als O’Hanlon ihn später fragte, ob er mit ihm auch zum Amazonas reisen wolle, antwortete Fenton: »Mit dir würde ich nicht einmal mehr nach High Wycombe fahren«) – und nachdem er, nicht zu vergessen, einige der schönsten Gedichte über Liebe und Krieg geschrieben hatte, die je in seiner oder irgendeiner anderen Generation geschrieben wurden –, hatten der Dichter Fenton und seine Lebensgefährtin Darryl Pinckney auf Long Leys Farm zur Ruhe gefunden, einem beachtlichen Landgut in Cumnor außerhalb von Oxford, wo James sich befleißigte, im Schatten eines gigantischen Strommasten den allerherrlichsten Barockgarten anzulegen. Dies war das Anwesen, das er nun seinem flüchtigen Freund anbot, über dessen kürzlich begangenen schrecklichen Fehler er sich in einem Artikel rücksichtsvoll und charmant geäußert hatte, als er beschrieb, wie, kaum wurde der Fehler veröffentlicht, »an die sechsundsechzig Millionen Zeitungsleser überall auf der Welt die Kaffeetassen abstellten und ›Oh‹ sagten. Doch jedes Oh wurde mit ganz eigenem Beiklang vorgebracht, mit einer je eigenen Nuance, einer jeweils anders gefärbten Bedeutung … Oh, haben Sie ihn also doch noch gekriegt! Oh, wie günstig! Oh, welche Niederlage für den Säkularismus! Oh, was für eine Schande! Oh, Allah sei gepriesen! Das Oh, das meinem Mund entwich, begann als eine kleine, vibrierende Kirschwolke des Erstaunens. Und wie sie da in der Luft hing, meinte ich einige Sekunden lang darin das niedergeschlagene Gesicht von Galileo ausmachen zu können. Ich sah erneut hin, und Galileo schien sich in

Weitere Kostenlose Bücher