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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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Ehefrau Melanie Jackson, und der öffentlichkeitsscheue Autor von Die Enden der Parabel erklärte sich zu einem Treffen bereit. Kurzerhand wurden die beiden Treffen zusammengelegt, und Pynchon und er aßen mit Sonny in dessen Midtown-Wohnung zu Abend. Der Clinch wurde mit einer Umarmung beigelegt und das Thema Harun mit keinem weiteren Wort erwähnt. Das war Sonnys schweigsame Art, die Dinge zu regeln, Unangenehmes unter den Teppich zu kehren und dann weiterzumachen, und vielleicht war das am besten so. Dann kam Pynchon und sah genauso aus wie Thomas Pynchon ausse hen musste: groß, rotweiß kariertes Holzfällerhemd und Jeans, weiße Albert-Einstein-Frisur und Bugs-Bunny-Zähne. Nach einer halben Stunde bemühten Smalltalks schien Pynchon langsam aufzutauen und redete ausführlich über die amerikanische Arbeiterbewegung und seine Mitgliedschaft in der Gewerkschaft, der er während seiner frühen Zeit als technischer Redakteur bei Boeing beigetreten war. Es war merkwürdig, sich vorzustellen, wie sich der große amerikanische Schriftsteller an die Verfasser von Gebrauchsanweisungen wandte, die ihn womöglich nur als den Typen kannten, der die Sicherheitshinweise für die CIM -10 Bomarc geschrieben hatte, und nicht wussten, wie seine Kenntnis dieser Flugabwehrrakete in die einzigartigen Beschreibungen der Bombardierung Londons durch V2-Raketen im Zweiten Weltkrieg eingeflossen war. Man plauderte bis weit nach Mitternacht. Irgendwann sagte Pynchon: »Ihr seid bestimmt müde, oder?« Das waren sie, aber wie konnte man schlafen gehen, wenn man Thomas Pynchon gegenübersaß?
    Als Pynchon ging, dachte er: Okay, jetzt sind wir also Freunde. Wenn ich mal wieder nach New York komme, können wir uns vielleicht auf einen Drink oder einen Happen zu essen treffen und uns allmählich kennenlernen.
    Doch sie trafen sich nie wieder.
    *
    Erfrischende Tage. Mit Gita machte er eine Kutschfahrt durch den Central Park, und bis auf eine alte Frau, die »Wowie!« rief, scherte sich niemand um ihn. Er frühstückte mit Giandomenico Picco, der sagte: »Die USA sind der Schlüssel.« Er spazierte durch den Battery Park und das Lincoln Center. In Andrews Büro kam es zu einem rührenden Wiedersehen mit Michael Herr, der nach Amerika zurückgezogen war und wieder in Cazenovia, New York, der Stadt seiner Kindheit, lebte, nur einen Steinwurf von Chittenango entfernt, der Geburtsstadt des Schöpfers von Der Zauberer von Oz , L. Frank Baum. Und Sonny gab eine Party für ihn, und Paul Auster und Siri Hustvedt, Don DeLillo, Toni Morrison, Susan Sontag, Annie Leibovitz und Paul Simon kamen. Der schönste Moment dieses befreienden Abends, an dem er sich wieder als Teil jener Welt fühlte, der er von jeher zugehören wollte, war, als Bette Bao Lord Susan Sontag bierernst und ehrlich interessiert fragte: »Sag mal, Susan, hast du eigentlich irgendwelche kuriosen Marotten?«
    Gemeinsam mit Andrew und Camie Wylie fuhren er und Elizabeth in deren Haus in Water Mill auf Long Island, wo Ian McEwan, Martin Amis, David Rieff, Bill Buford und Christopher und Carol Hitchens zu ihnen stießen. Andrew gab eine Party, auf der Susan Son tag eine ihrer kuriosen Marotten preisgab. Eigentlich war sie zwei Susans, die gute und die böse. Die gute Susan war brillant, witzig, loyal und einfach großartig, die böse Susan hingegen konnte ein gnadenloses Biest sein. Als eine junge Mitarbeiterin der Wylie-Agentur eine Bemerkung zum Bosnienkrieg machte, die Susan gegen den Strich ging, brach die böse Susan hervor stürzte sich auf das arme Ding. Es war kein fairer Kampf, Susan Sontag gegen dieses junge Mädchen, das gar keine Chance hatte, sich zu verteidigen, da Sontag eine hochgeschätzte Klientin der Agentur war. Das Leben der jungen Mitarbeiterin stand auf dem Spiel, und so gingen er und Bill Buford zu den beiden rüber und brachten die gewaltige Sontag mit geballten Belanglosigkeiten zum Schweigen. »Hey, Susan, was hältst du von der Rotation der Yankees?« – »Was? Worüber redet ihr? Die Rotation der Yankees ist mir scheißegal , ich versuche gerade, dieser jungen Lady hier zu erklären …« – »Schon klar, aber du musst doch zugeben, das El Duque gar nicht übel ist.« – »Moment, das hier ist wichtig, diese junge Lady hier denkt, dass es in Bosnien …« – »Wie findest du den Wein, Susan? Ich glaube, der rote hat ein bisschen Kork.« Und schließlich ergab sich Susan den Nichtigkeiten und verstummte, und die junge Agentin blieb verschont.
    Trotz des

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