Joseph Anton
Abendessen ein. Inzwischen gab es eine Liste von Leuten, die vom Special Branch gutgeheißen wurden, enge Freunde, die sich im Laufe der Jahre als verschwiegen und vertrauenswürdig erwiesen hatten. Bill Buford brachte einen hervorragenden Côtes du Rh ô ne und Gillon einen Puligny-Montrachet mit. Von Pauline Melville bekam er eine Hängematte und von Nigella ein sehr schönes blaues Leinenhemd geschenkt. John Diamond konnte froh sein, dass er noch am Leben war, nachdem ein Bus über Rot gefahren und mit über sechzig Sachen in seine Beifahrertür gekracht war. Zum Glück hatte die Tür gehalten.
Antonia Fraser und Harold Pinter brachten eine Sonderausgabe von Harolds Gedichten mit. (Wenn man Harold seine Faxnummer gab, faxte er einem hin und wieder Gedichte durch, die möglichst sofort in den Himmel gelobt werden mussten. Eines seiner Gedichte war nach dem großen englischen Schlagmann ›Len Hutton‹ benannt. Ich sah Len Hutton mit Pokal / ein andermal / ein andermal. Das war’s. Harolds enger Freund und Dramatikerkollege Simon Gray versäumte es, das Gedicht zu kommentieren, und Harold rief ihn vorwurfsvoll an. »Tut mir leid, Harold«, sagte Simon. »Ich hab’s noch nicht geschafft, es zu Ende zu lesen.« Mr Pinter konnte nicht darüber lachen.)
*
Der bekannte algerische Schriftsteller und Journalist Tahar Djaout wurde in den Kopf geschossen und starb. Nach Faradsch Fouda in Ägypten und U ˘ g ur Mumcu in der Türkei war dies der dritte Mord an einem prominenten Intellektuellen innerhalb eines Jahres. Er versuchte, die westlichen Medien darauf aufmerksam zu machen, doch das Interesse war gering. Seine Kampagne schien sich festgefahren zu haben. Christopher Hitchens hatte von dem britischen Botschafter in Washington, Sir Robin Renwick, erfahren, dass ein Treffen mit Clinton frühestens im Herbst stattfinden könne. Frances und Carmel gerieten häufig aneinander, um dann mit ihm aneinanderzugeraten. Als er ihnen sagte, er wisse bald nicht mehr weiter, und sie sollten zusehen, dass sie die Sache wieder ins Rollen kriegten, regten sie sich wieder ab.
Er reiste ein zweites Mal nach Paris, um anlässlich einer Ver sammlung der Académie Universelle des Cultures in einem großen, vor Gold, Fresken und Schriftstellern strotzenden Louvre-Saal zu sprechen: Elie Wiesel, Wole Soyinka, Ya s ¸ ar Kemal, Adonis, Ismail Kadare, Cynthia Ozick … und Umberto Eco. Ecos Roman Das Foucaultsche Pendel hatte von ihm soeben die vernichtendste Rezension bekommen, die er je geschrieben hatte. Eco eilte auf ihn zu und verhielt sich imponierend souverän. Er breitete die Arme aus und rief: »Rushdie! Ich bin’s, der Buulshiit-Eco!« Sofort verstanden sie sich großartig. (Später einmal sollten sie sich mit Mario Vargas Llosa zu einem literarischen Dreigestirn zusammentun, das Eco die Drei Musketiere nannte, weil »wir erst Feinde waren und jetzt Freunde sind«. Vargas Llosa hatte Salman vorgeworfen, zu links zu sein, und Salman hatte Ecos Werk verrissen, doch wenn sie sich trafen, verstanden sie sich prächtig. Die Drei Musketiere traten erfolgreich in Paris, London und New York auf.)
Die Sicherheitsvorkehrungen waren geradezu lachhaft übertrieben. Die Herrschaften von der RAID hatten den Louvre gezwungen, für den Tag zu schließen. Überall standen Horden von Männern mit Maschinengewehren herum. Er durfte sich den Fenstern nicht nähern. Und als die Autoren mittags zur Glaspyramide hinüberschlenderten, um im Untergeschoss zu Mittag zu essen, zwang ihn die RAID , die hundert Meter zwischen dem Louvre-Flügel, in dem die Académie zusammengekommen war, und der Pyramide in einem Auto zurückzulegen, das von schwerbewaffneten Männern mit verspiegelten Sonnenbrillen eskortiert wurde. Es war mehr als verrückt; es war peinlich.
Am Ende des Tages informierten ihn die Sicherheitskräfte, der Innenminister Charles Pasqua habe ihm aus Kostengründen die Erlaubnis verweigert, die Nacht in Frankreich zu verbringen. Aber, hielt er dagegen, ihm sei angeboten worden, privat bei Bernard-Henri Lévy, Bernard Koucher und Christine Ockrent oder bei Jack Langs Tochter Caroline unterzukommen, und das gratis. Tja, also, wir haben Kenntnis von einer konkreten Bedrohung gegen Sie und können nicht für Ihre Sicherheit garantieren. Nicht einmal der Special Branch nahm ihnen das ab. »Das hätten die uns mitgeteilt, Joe«, sagte Frank Bishop, »haben sie aber nicht.« Caroline Lang sagte: »Wenn Sie sich der RAID -Anweisung widersetzen wollen,
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